Ich möchte Sie einladen, einen spirituellen Besuch im Inneren des Petersdoms in Rom zu machen. Nähern wir uns der schönen Skulptur der Pieta des Michelangelo. Betrachten wir die Mutter, die den Körper ihres Sohnes in den Armen hält, gequält, gedemütigt, bedeckt mit Speichel und Spuren der Geißelhiebe. Seine Hände sind durchbohrt, und seine Stirn ist mit einer Dornenkrone bedeckt. Und doch hält die Mutter den Körper ihres Sohnes mit großer Sanftheit und unendlicher Zartheit. Das Gesicht der jungen Mutter ist gleichzeitig konzentriert, schmerzhaft und ruhig. Ohne zu verstehen, betet sie ihren Sohn an, der so schön ist, obwohl er verachtet wird, diesen Sohn, der ihr Gott ist. Lassen Sie uns wie Maria wissen, wie wir das Antlitz Christi im entehrten Antlitz der Kirche erkennen können. Weder unsere Sünden, noch unser Verrat, noch unsere Lauheit, noch unsere Untreue können die Kirche entstellen. Sie bleibt schön mit der Schönheit der Heiligen. Sie bleibt jung mit der Jugend Gottes. Lieben wir die Kirche und umarmen wir sie mit jenem Blick des Glaubens, mit dem Maria den toten Jesus umarmte, den sie in ihren Armen hielt. Wir sollen wissen, wie man um die Kirche weint, wir sollen wissen, wie man für die Kirche leidet, wenn es nötig ist, aber lasst uns sie immer mit jener liebevollen und marianischen Zärtlichkeit behandeln, die das Werk Michelangelos so treffend zum Ausdruck bringt.

Kardinal Robert Sarah

Auszug aus dem Buch: „Der Abend naht und der Tag ist schon nah“.