Wenn ich bei Beerdigungen eine Rede halte, frage ich gern danach, ob es etwas gibt, was der Verstorbene uns hinterlassen hat. Damit meine ich weniger Geld oder Sachgegenstände, sondern ein Anliegen, das ihm wichtig war, und das in seinem Sinne fortgeführt werden sollte. Es ist also ein geistliches Testament.
Die Generaloberin St. Sybilla hat in ihrem Brief, den Sie am Todestag des Stifters, also am 7. Dezember, geschrieben hat, dieses Testament von Pfarrer Johannes Schneider genannt: „Bleibt einig!“ Es geht ihm also um den Aufbau und die Vertiefung der Einheit.
Drei Gedanken möchte ich Ihnen dazu heute mitgeben.
Aufbauen der Einheit
Der Brief von Sr. Sybilla und damit auch die Worte des Stifters Pfarrer Johannes Schneider erinnern uns an eine Sache, die gern schnell in Vergessenheit gerät: Einheit ist nicht von vorn herein einfach da. Sie muss geschaffen und aufgebaut werden. Das gilt übrigens auch für viele andere Dinge.
Ein Beispiel dazu aus dem Bereich der Verwandtschaft. Wenn ich in eine Familie mit mehreren Kindern hineingeboren werde, habe ich einen Bruder oder eine Schwester. Damit daraus auch eine brüderliche oder schwesterliche Beziehung entsteht, die mein Leben bereichert und die für mich auch in schweren Situationen tragfähig und belastbar ist, müssen die Geschwister auch etwas dafür tun. Sie müssen eine Beziehung zueinander aufbauen.
Diese Gedanken kann man gut auf eine Ordensgemeinschaft beziehen. Das Versprechen eines Gelübdes und Tragen eines einheitlichen Ordenskleides macht noch keine Einheit aus.
Damit wird schon deutlich, dass Einheit keine äußerliche Angelegenheit ist, sondern eine innere Beziehung, die die Menschen miteinander verbindet.
Wachen über die Einheit
In dem Brief von Schwester Sybilla werden wir zudem aufgefordert, über die Einheit zu wachen. Die Einheit kann also verloren gehen. Von daher ist unsere Aufmerksamkeit gefordert.
Wachen oder Bewachen – ich denke an Personen oder Gegenstände, die bewacht werden. Dabei handelt es sich immer um solche, die wertvoll und wichtig sind, und bei denen es zu schlimmen Konsequenzen käme, wenn sie gestohlen würden oder verloren gehen. Unwichtige Dinge würde ich nicht bewachen oder bewachen lassen. Schon daraus wird wichtig, dass die Einheit etwas sehr Wertvolles ist. Sie ist wertvoll für unser Zusammenleben, und es hätte negative Konsequenzen, wenn sie verloren gehen würde.
Geistliche Übung: Welche geistlichen Dinge sind Ihnen so wertvoll, dass sie auf keinen Fall verloren gehen dürften? Worüber möchten Sie wachen? (Und wenn Sie weiter überlegen wollen, können Sie sich auch die Frage stellen: Wie sieht Ihr Wachen ganz konkret aus?).
Vertiefen der Einheit
Wir haben eben die Einheit als Beziehung beschrieben. Damit unterliegt sie auch den Gesetzen, denen jede Beziehung unterliegt, nämlich sie kann sich verändern. Sie kann stärker werden, sie kann aber auch abflachen und ganz verschwinden.
Dazu kann ich Ihnen ein schönes Beispiel von der Nordseeküste erzählen. Die Bewohner an der Küste führen einen endlosen Kampf mit dem Meer. In mühevoller Arbeit versuchen sie, dem Meer ein Stück Land abzuringen. Auf die Frage, warum sie dies tun, sagte einmal ein Friese: „Wissen Sie, wenn wir nicht dem Meer das Land abringen, nimmt das Meer uns das Land weg.“ Ein Belassen auf dem gegenwärtigen Status ist nicht möglich.
Dieses Bild beschreibt recht schön das Anliegen des Stifters Pfarrer Johannes Schneider. Wenn ich mich auf der Einheit, so wie ich sie erlebe, ausruhe, wird sie verloren gehen. Meine Aufgabe wird es sein, sie immer wieder zu vertiefen und somit lebendig zu halten. Wie dies konkret aussehen kann, wäre ebenfalls eine gute und lohnenswerte geistliche Übung. Wir werden in späteren Vorträgen auf diese Thema (Vertiefen der Einheit) noch zurückkommen.
Prälat Dr. Stefan Dybowski
15.02.2021 Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz