Die Pandemie ist schon lange auf der ganzen Welt verbreitet, aber ich hatte gehofft, dass sie uns nicht in Piszkowice (Pischkowitz), diesem friedlichen Dorf im Kłodzko Tal, erreichen würde, und doch hat sie uns nicht vergessen und uns mit ihrer Existenz konfrontiert.

Es begann alles mit der Verschlechterung des Gesundheitszustands unserer Schwester Oberin Lucia. Ich dachte zunächst, dass diese Erkrankung mit ihrer Krebserkrankung und den Metastasen zusammenhängt, von denen wir schon seit langem wussten. Wir wussten auch, dass es dem Ende zugeht, aber niemand von uns hat erwartet, dass es so schnell und im Zusammenhang mit der Covid-Infektion kommen würde.  Die Schwestern begannen auch zu erkranken, aber nach dem Arztbesuch beruhigten wir uns ein wenig.

Da sich der Gesundheitszustand der Schwestern trotz der Behandlung nicht verbesserte, beschlossen wir, alle Schwestern zu testen. Wir warteten auf die Ergebnisse wie auf ein Urteil. Am nächsten Tag erfuhren wir, dass wir alle infiziert waren, bis auf eine ältere Schwester. So mussten wir schnell entscheiden – Isolation, um die Kinder und die anderen Mitarbeiter nicht anzustecken. Die Angst gab uns die Kraft, die Schwestern dazu zu bewegen, in andere Räumen des Hauses umzuziehen. Der Zustand von Schwester Oberin Lucia verschlechterte sich weiter. Sie musste beatmet werden und bekam zusätzliche Medikamente. Seit sie wusste, dass sie positiv war, hatte sie sofort alle Verbindungen hergestellt, um unseren Kindern und Mitarbeitern zu helfen. Man konnte ihr die ganze Zeit die Sorge darüber ansehen, was mit den Kindern, mit uns und den Mitarbeitern geschehen wird.

Die Krankheit schritt weiter voran, und es wurde stündlich schlimmer. Wir konnten sehen, wie sie immer schwächer wurde und konnten nur noch auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen. Es war mir egal, dass ich auch infiziert war, und da ich keine typischen Symptome hatte,  war es für mich wichtiger, bei unserer Schwester Lucia zu sein. Die schlimmste Nacht war die Nacht vom 1. auf den 2. August. Ich war bis 1.15 Uhr bei ihr. Dann hat mich Sr. Paula abgelöst, und wir sahen, dass es dem Ende zuging. Unsere Ohnmacht, wie das Leiden und die enorme Atemnot zu lindern… Als ich morgens gegen 6.05 Uhr kam, war Schwester Lucia noch bei Bewusstsein, mit Atemnot, sie fragte, wie lange es noch dauern würde, denn es waren doch schon vier Stunden? Die letzte Bitte: „Ich möchte ins Bett“ (Sie saß die ganze Zeit in einem Sessel, weil sie aufgrund der Lungenmetastasen große Atemnot hatte). Gegen 6.55 Uhr, als ich sah, dass es zu Ende ging, ging ich die restlichen Schwestern holen. Sr. Lucia suchte uns mit den Augen, die wir den Rosenkranz zur Göttlichen Barmherzigkeit zu beten begannen, den sie so oft betete. Nach Ende des Gebets ging sie um 7.40 Uhr voller Frieden zum Haus des Vaters.

Dann kam die Ratlosigkeit, der Moment des Zusammenbruchs, die vielen Fragen, was mit den Kindern geschehen wird, wie viele Kinder und Mitarbeiter infiziert sind. Wer wird die Organisation des Ganzen übernehmen, wer wird helfen? Wir können es nicht, wir sind isoliert! Alles, was uns blieb, war ein stilles Gebet für uns alle, denn die Krankheit begann, immer mehr Symptome zu zeigen. Die Antwort kam sofort: Sr. Alma wird aus Świnoujście (Swinemünde) zu uns kommen, sie wird uns helfen. Diese Nachricht der Provinzoberin, die ich den Schwestern sofort mitteilte, gab uns die Hoffnung, dass sie mit der gegebenen Situation zurechtkommen wird.

Nach den positiven Test-Ergebnissen habe ich dann meine Freunde angerufen und sie um ihr Gebete für uns gebeten. Die ganze Zeit über wandte ich mich an den heiligen Josef, den Stifter und unsere verstorbene Sr. Lucia, um Hilfe in unserer schwierigen Lage zu erbitten. Es gab Menschen, die schnell auf unsere Bitte um Hilfe reagierten. Bald kam auch Sr. Vianeja aus Branice (Branitz) zur Hilfe. Gott sei Dank stabilisierte sich die Situation langsam, aber es gab immer noch keine Menschen, die sich um die Kinder kümmerten. Ich konnte nur den Hl. Josef um Hilfe bitten. Wie immer, wurde ich von seiner Fürsprache nicht enttäuscht.

Die nächsten Tage haben wir versucht, gemeinsam zu beten, waren aber körperlich dazu nicht in der Lage. Die Krankheit schritt von Tag zu Tag bei den einzelnen Schwestern in unterschiedlichem Ausmaß voran, es ging ihnen mal besser, mal schlechter.

So war das Einzige, was wir gemeinsam taten, dass wir zumindest eine Zeit lang zusammen waren, nebeneinander saßen und uns gegenseitig unterstützten.

Die Mobilisierung war für mich die kämpferische Haltung von Sr. Lucia, ihr Dienst bis ans Ende ihrer Tage. Trotz meiner Schwäche ging ich zu meinen Mitschwestern, um mit ihnen zusammen zu sein. Hier habe ich verstanden, wie wichtig es ist, außer dem Beten einfach mit den Schwestern zusammen zu sein. Das Gebet ist ein sehr wichtiges Bindeglied, aber das Zusammensein mit den Schwestern, das umeinander wissen, füreinander da sind und sorgen, verstärkt das Bemühen, die Schwierigkeiten der Krankheit zu überwinden. Es hat einige sehr schwierige Momente gegeben, ich habe gebetet, aber das Gebet hat mir keine Kraft gegeben. Aber Gott hat mich schnell wieder verstehen lassem, dass er mit mir war. Ich bekam Nachrichten, die mir weiterhalfen, den Telefonanruf eines Freundes, eines Geistlichen mit dem Hinweis „Preiset den Herrn in jeder Lage…“! Und hier traf mich der Herr neu mit seiner Gnade, so wie ein Vater, der seine Kinder sehr liebt. Von diesem Augenblick an begann ich wieder mein Lieblingsbuch der Psalmen zu lesen, und jeden Tag gab er mir eine Antwort auf meine gegenwärtige Situation (Ps 38,2-4 Ps 46 1-4 Ps 23, 13 Ps 28,1-2 Ps 66, 9-11 Ps 119, 25-27 Ps 134 Ps 111 7,9). Dank Seiner Worte war ich jeden Tag mehr und mehr in der Lage, zu beten und mich meinen Schwestern im Rahmen meiner Kräfte zu widmen. Eine große Unterstützung und Kraft im Kampf gegen diese Krankheit und der gegenseitigen Unterstützung waren auch die Gespräche mit Freunden und Schwestern von anderen Filialen, sowie das Zusammensein mit den  Schwestern für eine Weile, sei es in der Stille oder in der Teilnahme an der gemeinsamen Sonntagsmesse durch die Massenmedien.

Seit Beginn der Novene (13. August), die wir beteten, hat der Herr durch die Fürsprache unseres Stifters unser Leben wieder zusammengefügt und uns Kraft gegeben, die Schwierigkeiten des Alltags zu überwinden.

Und schließlich die Worte der verstorbenen Schwester Oberin Lucia, die tief in meinem Herzen hängen geblieben sind: „Ich beende meinen Dienst mit einer Krönung (Corona – Krönung), und Sie beginnen mit einer Krönung.“ In meinen Gebeten bitte ich Sr. Lucia, zusammen mit der Unbefleckten Gottesmutter, unseren Stifter, Sr. Dulcissima und unseren verstorbenen Schwestern, weiterhin über das Werk, das sie aufgebaut hat, zu wachen und alle notwendigen Gaben und Gnaden für uns zu erbitten.

Sr. M. Klara