Für mich drückt die Sonnenblume ein Bild für das Altwerden aus. Die schweren Köpfe der Blumen sind voller Früchte. Sie tun nichts mehr. Sie setzen sich einfach der Sonne aus und reifen, bis sie geerntet und für andere zu einer Nahrungsquelle werden. Alle Schönheit ist dahin. So ist es mit mir, mit dem alten Menschen. Ich muss nichts mehr leisten, ich muss mir nicht durch Leistung Anerkennung verschaffen. Ich bin einfach da.

Wenn ich meine jetzige Situation bedenke, wird mein derzeitiges Leben von drei Schwerpunkten bestimmt:

 

Loslassen

                                               Annehmen

                                               und dem Wunsch nach Fruchtbringen.

 

Ich möchte das Loslassen unter das Schriftwort Joh 21,18 stellen: „Amen, amen, das sage ich dir: als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“

 

Ich muss meine Vorstellungen vom Leben loslassen und mich auf das einlassen, was Gott mir zumutet. Er ist gütig und erlaubt es mir in Raten zu tun. Erst die Aktivität, den eigenen Willen, das eigene Ich und dann das Leben loslassen: Das ist ein Prozess, der manchmal schmerzlich ist und bezieht sich auf verschiedene Bereiche.

 

Loslassen der Gesundheit

Ich soll für meine Gesundheit sorgen, aber mit Maß. Wenn ich ständig um meine Gesundheit besorgt bin, werde ich ständig von Ängsten geplagt, dass ich sie verlie-ren könnte.

 

Loslassen von Beziehungen

Im Alter nehmen die Beziehungen ab und ich muss mehr und mehr lernen allein zu sein. Wenn ich einen lieben, vertrauten Menschen durch den Tod oder Umzug verlie-re, ist das schmerzlich und ein langer Prozess des Trauerns wird folgen, der ver-schiedene Phasen durchlebt.

 

Loslassen des Besitzes

Im Tod muss ich alles loslassen und deshalb bin ich gut beraten, wenn ich es jetzt schon einübe, in dem ich mich von Vielem trenne, es verschenke. Dadurch können wieder kleine Beziehungen entstehen.

 

Loslassen von Positionen und Macht

Für mich war es ein tiefer Einschnitt als ich nicht mehr informiert oder gefragt wurde. Durch vermehrte Aktivität übertünche ich diese Verluste, um zu zeigen, dass ich noch alles im Griff habe. Aber je mehr der alte Mensch an seinen Positionen festhält, desto mehr Feinde schafft er sich und es kann zur Rebellion und zur Katastrophe kommen Wenn dieser Prozess durchgestanden wird führt er in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes.

 

Das Leben loslassen

Für mich ist der Tod das Ende des Lebens hier auf Erden und zugleich Durchgang und Anfang des Lebens in der Herrlichkeit Gottes.

Das Sterben ist nicht nur das Ende meines Lebens sondern ist schon immer anwe-send in meiner Lebensgeschichte. In jeder Zurückweisung, Enttäuschung, Hilf-losigkeit, Ohnmachtsgefühl, Gebrechlichkeit, Erfahrung von Krankheit erfahre ich Loslassen und Sterben.

Hilfreich ist für mich das Meditieren vom Kreuz und Jesu Passion, wie ER den Tod angenommen hat. So wie der Tod Jesu der Weg in Gottes Herrlichkeit war, so wird auch mein Weg zu Gott nur durch den Tod gehen.

Ich habe bestimmte Vorstellungen vom Sterben für mich, aber es liegt nicht in meiner Hand. Auch das muss ich loslassen und den Tod so annehmen, wie er mir von Gott geschenkt wird.

 

Annehmen

Das Alter kommt von allein. Wenn es gelingen soll, muss ich meine Lebensge-schichte bedingungslos annehmen und mich mit meiner Vergangenheit aus-einandersetzen, d.h. mein Leben mit allen Positiven und Negativen in die Barmherzigkeit Gottes legen und vertrauen, dass Gott es angenommen hat.

Ich muss lernen meine eigenen Grenzen anzunehmen: Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schwäche, Müdigkeit, Behinderungen, Einsamkeit, Krankheit, Vergesslichkeit und vieles mehr. Zur Vergesslichkeit fiel mir das Schriftwort ein. „Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.“ Eine Hilfe zum Annahme meiner Grenzen ist mir, das Bewusstsein, dass Gott mich mit seiner heilenden, liebenden Nähe umgibt und trägt und mich im Tod mit seinen liebenden Armen umfängt.

 

Den dritten Punkt, der Wunsch nach Fruchtbringen möchte ich unter das Psalmen-wort 92,13-15 stellen: „Der Gerechte gedeiht wie die Palme, er wächst wie die Zedern des Libanon. Gepflanzt im Hause des Herrn gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes. Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und voll Frische.

Danach müssen zwei Voraussetzungen sein, um im Alter noch Frucht zu bringen: Gerechtigkeit und gepflanzt im Hause des Herrn.

 

Gerecht ist der Mensch, der den Menschen mit ihren Bedürfnissen gerecht wird. Der Gerechte kreist nicht nur um sich selbst, sondern hat auch immer die anderen im Blick.

Frucht bringt, wer verwurzelt ist in Gott. Schön ist es wenn aus meiner Verlang-samung Geduld und Gelassenheit wird. Wenn ich das Warten und das Hören in der Einsamkeit lerne wird die Beziehung zu meinem Gott vertieft.

In meinem Alter muss ich mir nichts mehr beweisen und mich nicht von den Erwar-tungen der Menschen bestimmen lassen und mich nicht mit anderen vergleichen. So erlange ich eine tiefe innere Freiheit.

 

 

Ich erlebe mich im Spannungsfeld von Loslassen und Annahme. Mal geht das eine und mal das Andere besser. Für mich ist das Alter ein Prozess, auf den ich mich immer wieder neu einlassen möchte. Ich bitte Gott, dass er mir ein hörendes, dank-bares Herz schenkt und mich zum Segen für andere werden lässt.

Sr. M. Mathildis

 

 

 

 

Gebet der heiligen Teresa

(1515 – 1582)

 

Herr, Du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde. Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich und hilfreich, aber nicht beherrschend  zu sein.

 

Bewahre mich davor, endlos Einzelheiten aufzuzählen, und verleihe mir Schwingen, zum Kern der Sache zu gelangen.

 

Lehre mich Schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.

 

Ich erflehe nicht die Gabe, Krankheitsschilderungen anderer mit Genuss zu lauschen. Aber lehre mich, sie wenigstens geduldig zu ertragen.

 

Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.

 

Ich wage nicht, um ein besseres Gedächtnis zu bitten – nur um etwas mehr Bescheidenheit und etwas weniger Bestimmtheit, wenn mein Gedächtnis nicht mit dem der anderen übereinstimmt.

 

Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.

Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte kein Griesgram sein

aber auch keine Heilige, denn mit ihnen lebt es sich schwer.