Die Worte des heutigen Evangeliums offenbaren uns die Kraft des Wachstums eines Senfkorns.

Ein solches Senfkorn war die Priesterweihe des Dieners Gottes Johannes Schneider, die er von Kardinal Melchior von Diepenbrock erhielt.

Der Oberhirte der Diözese Breslau wollte Mitte des 19. Jahrhunderts eine religiöse Erneuerung in Schlesien herbeiführen. Er wollte den Aufbau des Reiches Gottes auf das Lebenszeugnis von Menschen stützen, die sich Gott geweiht haben. In seiner Predigt zur Priesterweihe 1849 ermutigte er die neu geweihten Priester, dem Beispiel des heiligen Johannes des Täufers zu folgen und das Wort Gottes in Reinheit und Treue zu ihrer priesterlichen Berufung zu bekräftigen, wie sie auf ihren Kanzeln verkündeten.

Kardinal Diepenbrock erwartete viel von seinen Priestern. Er wollte, dass sie gemeinsam mit den Gläubigen die geistigen Güter vermehren. Während seines Wirkens in Schlesien, das nach den napoleonischen Kriegen aller Klöster beraubt worden war, nahmen die Borromäerinnen, die Schulschwestern von Notre Dame, die Franziskanerinnen, die Barmherzigen Schwestern des heiligen Vinzenz von Paul, die Grauen Brüder wieder ihr Wirken auf und auch die Franziskaner ließen sich erneut auf dem St. Annaberg nieder.

Der Diener Gottes Johannes Schneider feierte seine Primizmesse am Tag nach seiner Priesterweihe, d.h. am 2. Juli 1849. Vor der Reform des liturgischen Kalenders war dieser Tag das Fest der Heimsuchung der Heiligen Jungfrau Maria. Er feierte seine Primizmesse nicht in seiner Heimatgemeinde in Riegersdorf (Rudziczka), da der Pfarrer der Gemeinde, Pfarrer Anton Hoffmann, sein Wohltäter, 1847 plötzlich verstorben war, bevor Johannes Schneider ins Alumnat eintrat. Die Pfarrei in Rudziczka wurde nun von einem ihm unbekannten Pfarrer geführt.

Für seine erste Messe wählte er deshalb die Marienkapelle, die sich hinter dem Presbyterium der Kathedrale von Wrocław befindet. Vom Hauptaltar der Kapelle aus blickte der Neupriester auf die Mutter Gottes, die in den Himmel schwebte. Die Zeremonie hatte einen sehr bescheidenen Charakter. An der Feier nahmen seine engsten Verwandten, sein Vater und zwei seiner Schwestern mit ihren Familien teil.  Die Predigt während der Primizmesse hielt sein fünf Jahre älterer Landsmann, Pfarrer Johannes Klein, Vikar aus Scinawa.

Seine erste Pfarrstelle war die Pfarrei St. Nikolaus in Wiązów (Wansen). Pater Józef Sauer, der Rektor des Breslauer Alumnats, kam aus dieser Gemeinde und bat den Diözesanordinarius um einen guten Priester für seine Heimatgemeinde. Und die Wahle fiel auf Pfarrer Schneider. In der Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Gemeinde Wiązów etwa 3500 Gläubige. In der Stadt arbeiteten viele Mädchen in der Zigarrenfabrik. Sie gerieten oft in verschiedene Abhängigkeiten und schlechte Gesellschaft. Pfarrer Schneider versammelte sie in ihrer Freizeit, samstags und sonntags, im Gemeindehaus. Er sorgte für eine angemessene und frohe Unterhaltung und für die Erweiterung ihres religiösen und moralischen Wissens. Er nahm sich auch einer großen Anzahl von Dienstmädchen an, die auf fünfzehn Landgütern zur Gemeinde gehörenden ländlichen Siedlungen arbeiteten. Die jungen Mädchen, die finanziell von ihren Arbeitgebern abhängig waren, unter denen sich auch eine große Gruppe junger Männer befanden, waren moralischen Gefahren ausgesetzt. Pfarrer Schneider wollte sie für ein Leben nach den Sakramenten, die Pflege des Gebets und die Achtung der Würde der Frauen sensibilisieren.

Zusammen mit seinem Gemeindepfarrer, Pfarrer Franz Elpelt, mit dem er sich gut verstand, traf er sich auch regelmäßig mit den Eltern und Erziehungsberechtigten von Schulkindern. Er sprach zu ihnen über die moralischen Gefahren, denen junge Menschen beim Aufwachsen ausgesetzt sind. Er arbeitete mit dem Kantor des örtlichen Kirchenchors zusammen und ermutigte begabte junge Sängerinnen und Sänger, an den Proben und der Vorbereitung der Messen in der Pfarrkirche teilzunehmen.

Nach zweijähriger Tätigkeit in Wiązów wurde Pfarrer Schneider am 9. September 1851 als Vikar in die Pfarrei der Heiligen Jungfrau Maria auf dem Sande in Wrocław (Breslau) versetzt.

Sr.M. Elżbieta Cińcio