Dieses Buch von Joan Chittister, einer amerikanischen Benediktinerin, ist ein provozierendes Buch, welches aufrütteln, wach und unruhig machen will. Die Autorin setzt sich mit den Problemen der Kirche, der Orden und geistlichen Gemeinschaften von heute auseinander und sucht nach neuen Wegen. Es ist nicht immer leicht auszuhalten, dieses Buch zu lesen und es erging mir manchmal so, wie im Vorwort beschrieben: „Die Geste des „Wütend-aus-der-Hand-Legen, des In-die-Ecke-werfen-Wollens kann dieser Lektüre durchaus angemessen sein.“ Doch ich habe es nicht getan, sondern bis zum Ende gelesen und bin bis heute dankbar dafür. Denn beim Lesen dieses Buches wird immer deutlicher: die Autorin schreibt das Buch nicht, um zu kritisieren, zu jammern oder Schuldzuweisungen zu machen. Es ist geprägt von hoher Wertschätzung für das Ordensleben und der Suche nach Wegen, es von Verkrustungen und Verhärtungen zu befreien und neue, lebendige Lebensformen zu finden.  Das Buch atmet förmlich die Liebe der Autorin zum Ordensleben: „.. es geht um die gottgefällige brennende Leidenschaft, die erforderlich ist, um eine gegenwärtige Form des Ordenslebens zu finden, die zwischen der hochgeschätzten alten und der aufkommenden neuen steht, die sich neue Wege bahnt und sich in einer Welt entwickelt, die an einem Wendepunkt der Geschichte durch ständige Veränderung ins Wanken geraten ist.“

Es ist nicht einfach, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben, denn jede Seite ist erfüllt von dieser Leidenschaft. Deshalb halten wir es für gut, auch unser Nachdenken darüber in Abschnitte einzuteilen, die wir Ihnen nach und nach zukommen lassen.

So möchte ich Sie in diesem ersten Artikel dazu einladen, gemeinsam mit der Autorin nach dem Sinn und Auftrag von Orden zu suchen. Für Sr. Joan ist die wesentlichste Option für die Enstehung und Existenzberechtigung von Orden die Suche nach Gott. Sie schreibt: „In Wahrheit hat es überhaupt niemals einen guten Grund gegeben, ins Ordensleben einzutreten, außer ‘Gott zu suchen‘.“  In diesem Kontext beschreibt sie klar und kritisch die Situation der Orden und Kongregationen unserer Zeit und geht dabei auf geschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen sowie den Einfluß der Kirche und der Gesellschaft ein. Sie sieht deutlich, dass das, was im Anfang der Entstehung von Gemeinschaften sinnstiftend und notwendig war, heute oft nur noch Bewahrung der Tradition und Festhalten am Gewohnten ist.

Die meisten von uns sind in die Kongregation eingetreten, als das Ordensleben vor allem geprägt war von apostolischer Tätigkeit, aufopferungsvollem Dienst, gemeinsamen Gebet gehalten von einer strenger Tagesstruktur. Zu dieser Zeit war das gut und richtig, aber hier hat uns die Entwicklung der Gesellschaft wohl überholt. Sr. Joan schreibt: „Die Spiritualität der Produktivität ist vorbei.“. Und an anderer Stelle: „Wenn unser Hauptinteresse der Arbeit gilt, die Ordensleute tun, wird folgerichtig das Ordensleben selbst in Frage gestellt, sobald ihre Arbeit – aus welchem Grund auch immer – an Bedeutung verliert.“ Während früher Orden an die Stellen gingen, wo der Staat versagte, d.h. zu den Kranken, Alten, Behinderten, Armen, Sterbenden usw., hat die Gesellschaft hier viel nachgeholt. Die Pionierarbeit der Orden ist getan und nun werden sie „als das benötigt, was sie schon immer sein sollten: eine geistliche Stimme, Zeichen einer Gegenkultur, eine prophetische Präsenz in der  Kultur.“

An dieser Stelle wird langsam deutlich, warum die Autorin den Titel „Unter der Asche ein heimliches Feuer“ für ihr Buch gewählt hat. Das Bild von Feuer und Asche taucht immer wieder auf. Sie selbst ist ganz erfüllt, ja brennt von diesem inneren Feuer, aber sie erlebt die Ordensgemeinschaften oft als Gruppen, die innerlich erloschen sind und nun nur noch die Asche bewahren. Und nun ist es an uns, die Glut zu bewahren und das Feuer neu zu entfachen. Doch wie?

Sr. Joan mahnt: „Wenn das Feuer für eine andere Generation bewahrt werden soll, muss das Ordensleben in dieser Zeit die Stimme Gottes lebendig erhalten.“ Und das ist heute, in einer weitgehenst säkularisierten und dem religiösen Leben gegenüber gleichgültigen Welt oft nicht leicht. Es verlangt von uns auf der einen Seite eine intensive geistliche Suche, ein Vertiefen in das Evangelium, aber gleichzeitig, und das ist die andere Seite, ein Übersetzen und Übertragen der Worte und Texte der Hl. Schrift in das Leben der Menschen von heute. Und es verlangt ein sich Auseinandersetzen mit den Problemen der Menschen von heute, die oft so anders sind als noch vor 30 Jahren. Unser Handeln, unser darauf Reagieren und Antworten muss ein anderes sein. Es gibt keine fertigen, dauerhaften Lösungen, alles ist im Wandel und in ständiger Veränderung. Auch und gerade das Ordensleben. Denn wenn sich die äußeren Formen und Umstände auch wandeln, bleibt unser innerer Auftrag immer der gleiche! Und deshalb sind Ordensleute zu allen Zeiten dazu berufen, Propheten zu sein, d.h. die Gegenwart mit all ihren Nöten und Problemen im Lichte Gottes zu sehen und aus dieser Sicht heraus Antworten und Lösungsansätze anzubieten, die oft nicht verstanden, belächelt oder auch bekämpft werden. Doch die Welt wartet darauf und erwartet sie auch von uns: „Die Aufgabe des Ordenslebens… ist die Übersetzung der großen Fragen des Lebens in die Sprache aller Lebensbereiche hinein… Ist das Ordensleben selbst religiös genug, um sich wieder auf das Evangelium zu besinnen, statt sich auf die Institutionen zu konzentrieren, die es früher sicherlich am treffensten charakterisierten, in dieser neuen Zeit aber anderweitig verankert und eher Teil der Kultur sind, als ihr gegenüber prophetisch zu wirken.“

(Fortsetzung folgt)

Sr.M. Petra Ladig