Aus Anlass des „Tages des Wortes Gottes“, den Papst Franziskus 2019 eingeführt und auf den 3. Sonntag im Jahreskreis festgelegt hat (in diesem Jahr ist es der 24. Januar) möchte ich Ihnen erzählen, wie wir in unserem Konvent seit einiger Zeit unser Bibeltreffen gestalten.

Wir treffen uns jede Woche einmal und haben im Advent 2020 mit einer neuen Form der Bibelarbeit begonnen, die uns zunächst etwas befremdlich erschien, aber in zunehmendem Maß immer mehr gefällt und vor allem auch spirituell bereichert. Das Besondere an diesen Treffen ist auch, dass die Schwester, die die Leitung übernimmt (jedesmal ist eine andere Schwester dran), sich nicht besonders darauf vorbereiten und Kommentare zum gewählten Bibeltext lesen muss. Sie führt die Schwestern nur Schritt für Schritt durch das Treffen und lässt sich ansonsten, wie alle anderen auch, vom Hl. Geist führen und inspirieren.

Bei unserem ersten Treffen mit dieser neuen Methode haben wir uns entschlossen, das Matthäus-Evangelium Abschnitt für Abschnitt durchzuarbeiten, so dass jede Schwester weiß, wo es das nächste Mal weitergeht. Und uns wird jetzt schon deutlich, obwohl wir noch in der Anfangsphase dieser Arbeitsform stehen, dass wir dadurch die Intention des Matthäus, der sein Evangelium vor allem für Judenchristen schrieb und deshalb viel Bezug auf das Alte Testament nimmt, in seiner Fülle besser und tiefer verstehen lernen. Wir erahnen etwas vom Heilsplan Gottes mit uns Menschen.

Die Schritte dieser Methode sind einfach:

  1. Wir beginnen wie bei jeder Bibelarbeit mit dem Gebet
  2. Lesen des Textes

Jede Gruppe kann entscheiden, ob der Text von einer Schwester laut vorgelesen wird oder ob ihn jede still für sich liest.

  1. Diesen dritten Schritt möchte ich etwas näher erklären, da er etwas ungewohnt ist. Die Teilnehmerinnen sind eingeladen, Fragen an den Text zu stellen. Es können Verständnisfragen sein, aber vor allem auch Fragen, die auf den ersten Blick einfältig oder wenig sinnvoll erscheinen. So haben wir uns z.B. bei der Weihnachtsgeschichte bei Mt gefragt: Was hat Maria gedacht, als Josef im Traum die Weisung erhielt, nach Ägypten zu fliehen. Kam ihr Glaube an die Liebe und Vorsehung Gottes nicht ins Wanken? Oder was hat Josef empfunden, als der Engel ihm sagte, er solle die schwangere Maria als Frau zu sich nehmen. War das nicht ein Zumutung an einen jungen, unverheirateten Mann? Oder: Was haben Maria und Josef mit den Geschenken der drei Weisen gemacht…

Sie werden beim weiteren Verlauf der Bibelarbeit merken, dass diese Fragen den Horizont für die gewählte Textstelle erweitern, dass Sie die biblischen Texte, die Sie meinen, gut zu kennen, tiefer verstehen und dass die handelnden Figuren, die uns oft so fern, heilig und unnahbar vorkommen, Menschen wie wir sind, mit Gefühlen, vielen Fragen und Ringen mit dem Willen Gottes. Es ist bei diesem Schritt auch nicht notwendig, die einzelnen Fragen zu beantworten. Z.T. werden sie im weiteren Verlauf beantwortet oder sie haben keine Bedeutung mehr.

  1. Einteilung des Textes in Sinnabschnitte – Auch dieser Schritt bedarf einiger Erläuterungen. Sie können den gewählten Abschnitt nach zeitlichen Abläufen einteilen, so wäre z.B. beim Traum Josefs, er solle Maria zu sich nehmen, die Einteilung in das Geschehen vor, während und nach dem Traum möglich. Sie können aber auch die handelnden Personen als Einteilungskriterium nehmen bzw. andere Kriterien…

Die Aufgabe der Gruppenleiterin ist es hier, Vorschläge für die Einteilung entgegenzunehmen und dann mit der Gruppe zu entscheiden, nach welchem Vorschlag gearbeitet wird.

  1. Bei diesem Schritt werden die einzelnen Textabschnitte bearbeitet. Hier werden Sie fest-stellen, dass manche Fragen, die Sie bei Punkt 3 gestellt haben, beantwortet werden, während andere unwichtig geworden sind. – Ich möchte hier ein Bild gebrauchen: Die einzelnen Schritte sind wie ein Graben in der Erde. Sie beginnen an der Oberfläche und von Schritt zu Schritt gelangen Sie mehr in die Tiefe und zur persönlichen Begegnung mit dem Wort Gottes.
  2. Was will Gott mir heute mit dieser Textstelle sagen? – An diesem Punkt durften wir die Erfahrung machen, dass im Verlaufe des Treffens jeder Schwester wie selbstverständlich deutlich wird, wo in dieser Textstelle der Anruf Gottes für sie ist.
  3. So entwickelt sich auch der Abschluss des Treffens wie selbstverständlich mit einem von jeder Schwester persönlich formulierten Gebet. Dies kann ein Dank, eine Bitte um Kraft und Hilfe für die nächste Zeit, ein Lopreis o.a. sein.

Wir machten bei all diesen Treffen die Erfahrung, dass wir sehr rege und aktiv miteinander ins Gespräch kommen und unsere Zusammenkünfte jedes Mal mindestens eine Stunde und oft auch länger dauern. Häufig begleitet uns dieser Text bzw. die Erfahrungen, die wir dabei machen durften, noch längere Zeit und wir sprechen darüber bei den Mahlzeiten.

Vielleicht hat Sie dieser kurze Bericht neugierig gemacht und wir laden Sie herzlich ein, es einfach mal auszuprobieren. Möge der Hl. Geist Sie inspirieren und begleiten.

Sr. M. Petra.