Liturgie als Lehrerin der Einheit

Schon mehrfach haben wir uns daran erinnert, dass Einheit nicht ein gemeinsames äußerliches Merkmal, sondern eine lebendige Beziehung ist. Daher auch die Mahnung des Stifters, die Einheit zu bewahren und zu vertiefen. Wie kann man diese Einheit erhalten und vertiefen?

Eine gute Antwort hat uns die Fastenzeit gegeben. Das Thema im März: Versöhnung (2. Lesung vom Aschermittwoch: „Lasst Euch mit Gott versöhnen!“ 2 Kor 5,20ff).

Auch die Osterzeit bietet einen wichtigen Impuls für unsere Frage, wie man die Einheit bewahren und vertiefen kann. So möchte ich heute den Vortrag mit einem Satz aus der Apostelgeschichte überschreiben: Sie hatten alles gemeinsam (1. Lesung 2. Ostersonntag Lesejahr B): „Sie hatten alles gemeinsam“ Apg 4,32-37)

 

Ein Herz und eine Seele

Der Text (Apg 4,32-37) beginnt mit diesem wunderbaren Satz: „Sie waren ein Herz und eine Seele.“ So etwas sagt man manchmal, wenn zwei Menschen eine tiefe und innige Freundschaft verbindet. Diese Beschreibung verwendet der Apostel Lukas, um in der Apostelgeschichte das Leben der jungen urchristlichen Gemeinde zu beschreiben. Ein schöner Ausdruck, um Einheit zu beschreiben.

Frage zum Nachdenken: Gab oder gibt es Menschen, mit denen Sie sozusagen „ein Herz und eine Seele“ sind oder waren? Wie haben Sie diese Zeiten erlebt? Wie würden Sie dies beschreiben (die gleichen Interessen, die gleichen Ansichten, Sympathie, gemeinsam verbrachte Zeiten …)? Oder haben Sie noch andere Erfahrungen mit diesem Satz gemacht?

 

Teilen

Lukas geht weiter. Für ihn bedeutet dieser Satz: „sie waren ein Herz und eine Seele“ mehr als die Übereinstimmung von Ansichten und Interessen oder ein Gefühl von Sympathie. Lukas wird ganz konkret: da verkauft jemand seinen Besitz und stellt den Erlös den Anderen zur Verfügung. Teilen ist das Stichwort. Ich teile, was ich habe, mit den Anderen, und so entsteht eine communio, eine Einheit.

 

Was ich habe, das gebe ich dir

Im Kapitel davor (Apg 3,1-10) heilen Petrus und Johannes einen Gelähmten, der vor dem Tempel bettelte. Petrus baut eine Beziehung zu ihm auf „Sieh uns an!“ Danach erteilt er dem Bettler eine Absage: „Silber und Gold besitze ich nicht.“ Und dann kommt seine Zusage: „Was ich habe, das gebe ich dir.“

 

Das Leben teilen

In der Apostelgeschichte wird zunächst davon berichtet, dass hier materielle Dinge geteilt werden. Doch bald kann man erahnen, dass nicht nur materielle Dinge geteilt wurden. Der Satz „Keiner unter ihnen litt Not“ lässt vermuten, dass hier auch seelische Nöte gemeint sein könnten. Da ist jemand, einsam, krank, traurig … und die Anderen lassen ihn nicht mit seiner Not allein, sondern teilen mit ihm, was sie haben: Zeit, Aufmerksamkeit, Geduld.

 

Kritisieren oder ausprobieren

Dieser Abschnitt vom Leben der jungen christlichen Gemeinde wird oft mit Skepsis betrachtet: Ob es wirklich so war oder vom Schreiber doch etwas zu sehr idealisiert wurde? Und außerdem war es eine kleine Gemeinschaft. In unseren heutigen Gemeinden wäre das bei dieser Größe so nicht denkbar …

Mag sein, aber das hindert uns doch nicht daran, dies einmal auszuprobieren. Ich vermute, es wird nicht gleich Ihr ganzes Leben umkrempeln, aber einiges wird sich doch verändern.

 

Mein Betrag zur Einheit

Einheit ist also nicht nur eine äußere Wirklichkeit, die ich vorfinde oder in die ich hineingestellt werde. Einheit entsteht und lebt davon, dass ich meinen Beitrag leisten kann, um sie erhalten und vertiefen.

Geistliche Übung: Welchen Beitrag leiste ich, damit die Einheit in der Gemeinschaft erhalten und vertieft werden kann. Was bin ich bereit zu geben?

 

… damit die Hochzeit stattfinden kann

Es gibt eine Geschichte, in der zwei junge Menschen heiraten wollen. Weil die beiden aber so arm sind, können Sie sich eine große Hochzeitsfeier nicht leisten. So bitten sie jeden der Gäste, eine Flasche Wein mitzubringen. Der Inhalt der Flaschen wurde in ein großes Fass geschüttet, und als die Gäste daraus tranken, waren alle enttäuscht. Jeder hatte nur Wasser dazugegeben.

Bewahren und Vertiefen der Einheit … damit die Hochzeit (das Fest) stattfinden kann.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

19.04.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz