Novene – 8. Woche

Novene – 8. Woche

Lobt den Höchsten Herrn in Ewigkeit.

Diesen Refrain des heutigen Antwortpsalms hätte der Diener Gottes, Pfarrer Johannes Schneider, auch singen können, als er beobachtete, wie sich das von ihm begonnene Werk entwickelte.

Nachdem der Aufruf „Hilfeschrei“ in der katholischen Presse veröffentlich worden war, halfen Dutzende von Familien der Stiftung, um die Aktivitäten des Vereins zur Hilfe an den Dienstmädchen finanziell zu unterstützen. Der Verkauf der von der Marienstiftung ausgegebenen Aktien war ebenfalls sehr wirksam. Dies ermöglichte die Anmietung weiterer Räume im Mietshaus der Pfarrei „Unserer lieben Frau auf dem Sande”. Der Wunsch der Beteiligten war es, ein Haus in der damaligen Krupnicza-Straße 10 (Gräupnergasse 10) zu kaufen. Diese Straße wurde auf Antrag der Schwestern der heiligen Elisabeth zu Beginn des 20. Jahrhunderts in St.-Joseph-Straße umbenannt.

Der Wunsch des Hauskaufes ging Ende 1858 in Erfüllung. Am 9. Dezember wurde das Mädchenwohnheim eingeweiht. Im Laufe der Zeit kaufte die Stiftung weitere benachbarte Grundstücke, und auf demselben Gelände entstand ein Beratungszentrum für Mädchen und Frauen in schwierigen Verhältnissen. Während der Lebenszeit des Dieners Gottes fanden hier mehr als 60.000 Mädchen Hilfe für einen guten Start ins Erwachsenenleben. Die Marien- Stiftung richtete für sie eine Schule und ein Internat ein, die Mitarbeiter der Stiftung suchten nach geeigneten Arbeitsplätzen für die Absolventinnen; außerdem fanden vorübergehend arbeitslose Mädchen und Frauen eine Unterkunft, Kranke erhielten Behandlung und Heilung, und ältere Frauen fanden ein Altersheim, wo sie bis zu ihrem Tod bleiben konnten.

Pfarrer Schneider und die Mitglieder des Vorstands stellten Lehrerinnen, Erzieherinnen und Krankenschwestern ein. Die Mitarbeiter erfüllten ihre Aufgaben sehr gut, aber nach der Arbeitszeit kehrten sie zu ihren Familien zurück. Doch Mädchen im Teenageralter, die ihre Familien aufgrund von Armut verlassen hatten, brauchten immer noch die Wärme eines Zuhauses. Nach Ansicht unseres Stifters konnten ein solches Familienklima nur von Ordensfrauen als geistliche Mütter für die ihnen anvertrauten Mädchen geschaffen werden. Er suchte nach einer Frauengemeinschaft in Breslau, die einen solchen Dienst übernehmen würde. Doch leider hatte jede Gemeinschaft ihre eigenen Werke.

Darum wandte sich der Stifter an die unverheirateten Lehrerinnen der Marien-Stiftung. Vier von ihnen waren bereit, ihr Leben den armen Mädchen zu widmen, die vom Armut, Not bedroht waren und am moralischen Abgrund standen. Pfarrer Schneider erläuterte ihnen in wöchentlichen geistlichen Konferenzen die Bedeutung eines Lebens im Dienste Gottes und der Menschen. Nach einer dreijährigen Vorbereitung legten die Schwestern Agnes, Matilda, Jadwiga und Rosina am 26. Mai 1863 im Oratorium des Hauses der Stiftung ihre Privatgelübde ab und erhielten von ihm einheitliche Gewänder: blaue Kleider und eine weiße Kopfbedeckung. Dieses Kleid sollte sie an die Person der Mutter Gottes erinnern, war aber gleichzeitig dem Kleid der protestantischen Diakonissen sehr ähnlich. Auf Bitten des Weihbischofs tauschten die Schwestern ihren Habit deshalb gegen schwarze Kleider und Schleier. Die begabteste der ersten Schwestern war Schwester Agnes, in der unser Stifter die zukünftige Oberin der neuen Ordensgemeinschaft sah. Leider verließ sie nach einem Jahr die Stiftung. Doch Gott schickte neue Berufungen, und jedes Jahr traten einige Mädchen in die entstehende Ordensgemeinschaft ein.

Das geistliche Profil ihrer geistlichen Töchter erfahren wir aus den Aufzeichnungen von Schwester Matilda, die sie am 26. Mai 1863 anhand einer Ansprache des Stifters machte:.

Ihr seid aus weiter Ferne gekommen. Das stille Vaterhaus, den Kreis euer Kindheit und alles Andere in der Heimat habt Ihr verlassen und seid in das arme Marienstift eingetreten. Ja arm ist es im Sinne der Welt. Denn die Armut hat die Anstalt gegründet, mit dem sauren Schweiß der Armen ist sie gebaut worden. Die Armut wohnt im Stifte, und Eure Prüfungszeit hat dies längst bestätigt, denn der Armut ist dieses Stift geweiht…

Und welchen Gewinn hofft Ihr dafür? Sucht Ihr ein bequemes Leben so wisset, dass eine Marienschwester nicht auf Rosen gebettet ist. Anstrengende Arbeit erwartet Euch. Ihr dient den Armen. Mägde der Mägde sollt Ihr sein.

Wo die Armut den Tisch deckt, da findet sich die Bequemlichkeit nicht heimisch. Ja, noch mehr. Ihr müsst sogar hinausgehen, um für die Armen, die Ihr speist und beherbergt, bei der Wohltätigkeit guter Menschen das zu erbitten, was sie bedürfen. Denn die Welt hat wohl Mittel, um Theater zu erbauen; aber um die Armut zu erleichtern und für Klagende und Elende hat sie kein Opfer. Oder sucht Ihr Ehre in dieser Zeit? Auch auf sie müsst Ihr verzichten! Es wird sogar nicht an solchen fehlen, die Euer Vorhaben belächeln, die Euch Toren schelten werden, dass Ihr Euer Leben einer solchen Sache geweiht habt. Ihr werdet ungekannt, ja von vielen sogar verachtet werden. Was ich Euch für diese Welt bieten kann, ist nichts weiter, als ein armes Kleid und ein stilles Grab, immer nur von wenigen Seelen gekannt und besucht. Doch der Christ arbeitet nicht für diese Welt; er strebt nach einem höheren Ziele. Sein Lohn winkt ihm im Jenseits zu.

Wenn Ihr euch dem Dienst der Armut weiht, so dient Ihr dem göttlichen Bräutigams, der uns in den Armen und Geringen seinen Stellvertreter hinterlassen hat. Denn so spricht er selbst von den Opfern, die man aus Liebe zu den Armen und Verlassenen gebracht: „Ich war hungrig und ihr habt mich gespeist, ich war durstig und ihr habt mich getränkt, ich war ein Fremdling und ihr nahmt mich auf, und was immer Ihr meinem geringsten Bruder getan habt, das habt ihr mir getan“ (J. Schweter, Geschichte der Kongregation der Marienschwestern der Unbefleckten Empfängnis, Breslau 2000, Bd. 1).

Eine Feuerprobe für unsere Kongregation war gleich zu Beginn ihres Bestehens die Zeit des Kulturkampfes. Alle Schwestern begaben sich auf eine einwöchige Wallfahrt zum Marienheiligtum in Filipow (heute in der Tschechischen Republik in der Nähe des Dreiländerecks zwischen Polen, Tschechien und Deutschland), um ein Wunder zu erflehen, das die Kongregation vor der Auflösung bewahren würde. Und die göttliche Mutter rettete ihre Schwestern.

 

Wie groß ist mein Vertrauen in die Muttergottes in Momenten der Glaubensprüfung?

Sr.M. Elżbieta Cińcio

60 Jahre im Dienst für Gott und die Menschen

60 Jahre im Dienst für Gott und die Menschen

Unsere Schwester Rosa feierte am 26. November ihr 60-jähriges Ordensjubiläum in Berlin Kreuzberg. Auf Grund der Pandemie waren nicht viele Gäste anwesend, aber die Feier selbst war sehr tief und feierlich.

Sr. Rosa hat die meiste Zeit ihres Ordenslebens im Dienst und der Sorge um gehörlose Menschen verbracht. Sie arbeitete in der Gehörlosenseelsorge aktiv mit und organisierte pastorale Aktivitäten. Diese Tätigkeit wurde durch das Coronavirus unterbrochen, so dass es Sr. Rosas größter Jubiläumswunsch ist, so bald wie möglich wieder den Menschen zu begegnen, die sie brauchen.

Sr. Rosa selbst erinnert sich an ihre Arbeit wie folgt:

„Bereits 1988 begannen die Gehörlosen offiziell in unser Haus und unsere Kapelle zu kommen, wo sie beten und Menschen treffen konnten, die sie verstanden. Zunächst wurden sie nur von Sr. Christiane betreut, die, da sie ebenfalls gehörlos ist, vom Vorsitzenden der Gehörlosenseelsorge in unserer Diözese mit diesem Dienst betraut worden war. Nach zwei Jahren, 1990, begann ich in der Gehörlosenseelsorge mitzuarbeiten. Am Anfang habe ich nichts verstanden, ich kannte die Gebärdensprache nicht, ich musste sie von Grund auf lernen. Bei dieser Arbeit habe ich jedoch festgestellt, dass nicht die Kenntnis der Sprache das Wichtigste ist, sondern das Herz und der Wille, ihre Situation zu verstehen. Auf dieser Ebene haben wir uns gut verstanden. Vielleicht, weil ich zwar nicht gehörlos bin, aber auch eine Behinderung habe. Ich habe als Kind ein Bein verloren und trage seither eine Prothese. Ich denke, dass diese Erfahrung mir hilft, die Probleme anderer besser zu verstehen. Obwohl sie ihre eigene Familie und ihr eigenes Leben haben, fühlen sie sich einsam und irgendwie von der normalen Welt ausgeschlossen. Schon lange vor der Pandemie organisierten wir einmal im Monat eine Heilige Messe in Gebärdensprache, gefolgt von einem Treffen mit Kaffee und der Möglichkeit zu Gespräch und Austausch. Alle kamen sehr gerne zu diesen Treffen, weil sie sich willkommen und verstanden fühlten. Auch außerhalb der Messe blieben wir miteinander in Kontakt. Sie kamen immer zu mir, wenn sie Hilfe brauchten, wenn sie telefonieren mussten oder wenn sie etwas nicht verstanden, z. B. bei Behördengängen. Ich war gerne bereit, ihnen zu helfen und habe ihre Probleme gemeinsam mit ihnen gelöst. Jetzt, in der Zeit der Pandemie, nun schon im zweiten Jahr, habe ich sie nicht mehr sehen können. In unserem Haus, in dem ich wohne, gibt es ein Altersheim, in dem zwei meiner Schützlinge leben. Ich treffe mich regelmäßig mit ihnen. Wir reden, beten und spielen zusammen. Ich selbst hatte in letzter Zeit auch gesundheitliche Probleme, aber ich lebe weiter in der Hoffnung, dass ich meinem Schützlingen weiterhin dienen und helfen kann.

SMI

Vor dem Thron Marias

Vor dem Thron Marias

Am Sonntag, den 21. November, fand die diesjährige Wallfahrt der Marienschwestern zu „Unserer Lieben Frau, Hüterin des Glaubens” in Bardo statt.

Die Tradition dieser Pilgerfahrt geht auf die Anfänge der Kongregation zurück. Zu der Zeit, als sich die junge, kleine Gemeinschaft zu bilden begann, kam im Zusammenhang mit dem Kulturkampf ein Regierungserlass über die Aufhebung der religiösen Orden heraus. Die Schwestern erkannten, dass dies eine schwierige Situation war, und unternahmen eine Wallfahrt zur Muttergottes, um um das Wunder der Rettung zu bitten. Nach mehreren Tagen intensiven Gebets kehrten sie nach Hause zurück und erhielten gleichzeitig den staatlichen Bescheid, dass sie bleiben dürfen und nicht säkularisiert werden. Nach diesem Ereignis versprachen die Schwestern, jedes Jahr vor den Thron Mariens zu pilgern, um für die Rettung der Kongregation zu danken. Dies ist nun eine Gelegenheit für uns, für alle Gnaden zu danken, die die Kongregation im Laufer ihrer Geschichte erhalten hat, und für die Gnaden, die jede Schwester erhält.

Trotz der sich wieder stärker ausbreitenden Pandemie kamen die Schwestern in großer Zahl in das Heiligtum Marias, der Hüterin des Glaubens in Bardo. Während der feierlichen Heiligen Messe und beim Rosenkranzgebet dankten sie für den Schutz Marias und baten um einen starken Glauben für die Zukunft. Aus hygienischen Gründen durften wir die Marienstatue nicht küssen, aber der Pfarrer stellte sie vor den Altar, damit wir Maria durch Gebete und Gesten des Vertrauen und Dankes ehren konnten. Nach langer Zeit konnten wir wieder zusammen sein, und Maria war unter uns und mit uns.

SMI

Schöne Sprache

Schöne Sprache

Ich möchte meine Reiseerfahrungen während der Pandemiezeit mit Ihnen teilen!

Von der großen Krise Covid-19 ist alles und jeder in der Welt betroffen; in der Gesellschaft, Wirtschaft und auch in der Religion haben sich die Formen der Andacht und Anbetung Gottes völlig verändert. Mitten in dieser schweren Zeit bekam ich die Chance, für Angelegenheiten der Gemeinschaft, aber auch für einen Urlaub nach Europa zu reisen. Ungewollt musste ich durch drei Länder reisen, da sich mein Visum für Italien aufgrund der neuen Reisebestimmungen verzögerte.

Ich startete meine Reise von Tansania aus am 15. Oktober 2021 und kam zuerst in Polen, dann in Berlin und zuletzt in Rom/Italien an.

Ich kann bestätigen, dass Sprache, Verbundenheit und Liebe die Werte sind, die zu einer guten Kommunikation mit den Schwestern beitrugen, die ich in Europa getroffen habe. Es war sehr lustig und interessant, den ich kannte weder die polnische noch die deutsche Sprache, aber als ich dort war, habe ich den Unterschied zwischen den Ländern nicht gespürt, es war, als wäre ich in Tansania. Ich habe mich mit den Schwestern durch Gesten verständigt, vor allem, wenn niemand in der Nähe war, der übersetzen konnte, und wir haben uns gut verstanden und waren miteinander sehr glücklich.

Die Schwestern stellten mir viele verschiedene Fragen zu unserer Region und zum Leben in Tansania im Allgemeinen. Ich habe versucht, alles zu beantworten und zu erklären, was sie über das Leben unserer Kongregation in unserer Region wissen wollten, und sie waren sehr zufrieden. Eine Sache war so erstaunlich für mich, dass ich zum Beispiel mit Sr. Luka auf Deutsch kommunizierte, indem ich Google translate in meinem Telefon benutzte, um meine Dankesbotschaft an die Schwestern weiterzugeben. Nach dem Senden wurde die Nachricht gelesen und das Feedback war gut. Im Allgemeinen habe ich meine Zeit in Europa genossen und viele Dinge von meinen Mitschwestern in Polen, Deutschland und Rom gelernt.

Für mich kann ich sagen, dass jeder Tag ein Tag des Lernens und Wachsens ist. Liebe und Einheit gehören zusammen und geben viel Kraft, denn durch sie sind wir immer miteinander verbunden, unabhängig von unseren Traditionen, unserer Sprache und unserer Hautfarbe.

 

Sr. M. Agnes Mwanajimba

Region – Tansania

 

Geschenkte Einheit

Geschenkte Einheit

Erinnerungen an die deutsche Geschichte
Erinnern Sie sich noch? Die Besetzungen der deutschen Botschaften in Prag und Warschau 1989, die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn, die Montagsdemos in Leipzig und an anderen Orten, die erste Maueröffnung am 9. November 1989 und schließlich der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990. Es waren damals ereignisreiche und bewegte Wochen, die wir alle mit Spannung erlebt haben. Und viele Gefühle haben uns dabei begleitet: Sorge und große Angst, aber auch Hoffnung und Freude. Und als dann schließlich der Einigungsvertrag unterzeichnet war, haben nicht wenige auch die Hände gefaltet und Gott gedankt. Die deutsche Einheit war nicht nur ein Werk von Menschen, sondern wurde auch als Geschenk empfunden, als Geschenk von oben, von Gott.

 

Es gibt zwei Extrempositionen, die man mit diesem Thema „geschenkte Einheit“ verbinden könnte, und die ich hier kurz andeuten möchte.

 

Hände in den Schoß legen
Man könnte zum einen meinen: Wenn die Einheit ein Geschenk ist, dann kann und brauche ich auch nichts zu machen. Dann kann ich meine Hände in den Schoß legen und abwarten, bis die Einheit von Gott kommt. Vor dieser Annahme möchte ich warnen. Ich bin sicher, dass die deutsche Einheit niemals zustande gekommen wäre ohne das Bemühen vieler auf beiden Seiten: Politiker, Wissenschaftler, Vertreter der Kirchen, Künstler und vieler einfacher Bürger.

Ferner denke ich dabei nicht nur an die deutsche Einheit. Auch die Christen sind getrennt in verschiedene Konfessionen. Und ich bin dankbar und froh, dass viele Christen nicht die Hände in den Schoß legen und warten, bis Gott etwas bewirkt, sondern dass sie mitwirken und aufeinander zugehen, auch wenn sie wissen, dass die Einheit letztlich ein Geschenk ist.

 

Verordnete oder erzwungene Einheit

Einheit kann man nicht machen und schon gar nicht anordnen. Das zeigt die jüngere Geschichte mehrerer europäischer Staaten. Die Sowjetunion ist in der Zeit von Glasnost und Peristroika schnell auseinandergefallen. Im ehemaligen Jugoslawien haben die 7 Republiken nach dem Tod Titos sofort ihre Unabhängigkeit erklärt. Und auch in so Ländern wie Großbritannien oder Spanien steht so manches Mal die Einheit auf dem Spiel. Eine verordnete oder gar erzwungene Einheit hat selten Bestand.

Die Wirklichkeit liegt also in der Mitte. Einheit ist ein Geschenk, aber ich kann viel dazu beitragen, dass dieses Geschenk auch Wirklichkeit werden und bleiben kann.

 

Wertschätzung als Nährboden der Einheit

Einheit braucht einen anderen Nährboden, damit sie wachsen kann. Dieser Nährboden ist die gegenseitige Wertschätzung. Auch dafür gibt es wunderbare Beispiele. Papst Paul VI. hat sich 1964 mit dem Patriarchen Athenagoras getroffen und so einen wichtigen Schritt der Annährung der orthodoxen und der katholischen Kirche getan. Und Willy Brand hat mit seinem Besuch in Warschau im Jahr 1970 sicher auch einen Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Einheit gesetzt. Mit solchen Aktivitäten kann man die Einheit natürlich nicht machen. Mit Sicherheit aber kann man Voraussetzungen schaffen, auf denen die Einheit dann wachsen kann. Sich beschenken lassen und etwas dafür tun schließen sich nicht aus.

 

Verzicht und Entgegenkommen
Die gegenseitige Wertschätzung, die ich dem anderen entgegenbringe, ist sicher ein großartiges Geschenk, das viel zur Einheit beiträgt. Doch es gibt noch andere Geschenke, die mit Geben erst einmal nicht viel zu tun haben.

Schon als Kind habe ich erfahren, dass ich in der Familie auch auf manches verzichten und Kompromisse schließen musste. Das habe ich bei meinen Eltern erlebt, dann bei meinen Geschwistern und auch bei mir. Sicher war dieser Verzicht am Anfang nicht freiwillig, sondern eher erzwungenermaßen. Aber später durfte ich erleben, dass dieses Entgegenkommen und Verzichten auch dazu beigetragen hat, dass wir als Familie zusammengewachsen sind und heute noch in gutem Kontakt zueinander stehen.

Einen ganz aktuellen Stellenwert bekommen Entgegenkommen und Verzicht beim Zusammenwachsen unserer Pfarreien. Hier ist häufig ein Verzicht notwendig, z.B. bei der Wahl einer Kirche zur Pfarrkirche oder beim Neuverteilen finanzieller Ressourcen. Wenn da nur ängstlich geschaut wird, dass ich ja nicht zu kurz komme, kann Einheit niemals wachsen. Erst wenn mir gemeinsame Ganze wichtiger wird als die eigenen Interessen, kann die eine Pfarrei entstehen.

 

Dankbarkeit: die Einheit bewahren

Einen geschenkten Blumenstrauß stellt man ins Wasser, um die Blumen lange frisch zu halten. Mit einem geschenkten Fahrrad gehe ich sorgsam aus, um lange damit fahren zu können. Geschenke wollen gepflegt werden. Das ist sicher die schönste Form, um Geschenke wert zu schätzen und dem Geber der Geschenke zu danken. Das gilt für die deutsche Einheit, die uns vor 30 Jahren geschenkt wurde. Das gilt auch für die Einheit der Christen, um die wir uns weiterhin mühen. Und das gilt sicher auch für die Einheit in einem Konvent, einer Ordensgemeinschaft, einem Presbyterium, einer Gemeinde.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

07.10.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz