„Unter der Asche ein heimliches Feuer“

„Unter der Asche ein heimliches Feuer“

Dieses Buch von Joan Chittister, einer amerikanischen Benediktinerin, ist ein provozierendes Buch, welches aufrütteln, wach und unruhig machen will. Die Autorin setzt sich mit den Problemen der Kirche, der Orden und geistlichen Gemeinschaften von heute auseinander und sucht nach neuen Wegen. Es ist nicht immer leicht auszuhalten, dieses Buch zu lesen und es erging mir manchmal so, wie im Vorwort beschrieben: „Die Geste des „Wütend-aus-der-Hand-Legen, des In-die-Ecke-werfen-Wollens kann dieser Lektüre durchaus angemessen sein.“ Doch ich habe es nicht getan, sondern bis zum Ende gelesen und bin bis heute dankbar dafür. Denn beim Lesen dieses Buches wird immer deutlicher: die Autorin schreibt das Buch nicht, um zu kritisieren, zu jammern oder Schuldzuweisungen zu machen. Es ist geprägt von hoher Wertschätzung für das Ordensleben und der Suche nach Wegen, es von Verkrustungen und Verhärtungen zu befreien und neue, lebendige Lebensformen zu finden.  Das Buch atmet förmlich die Liebe der Autorin zum Ordensleben: „.. es geht um die gottgefällige brennende Leidenschaft, die erforderlich ist, um eine gegenwärtige Form des Ordenslebens zu finden, die zwischen der hochgeschätzten alten und der aufkommenden neuen steht, die sich neue Wege bahnt und sich in einer Welt entwickelt, die an einem Wendepunkt der Geschichte durch ständige Veränderung ins Wanken geraten ist.“

Es ist nicht einfach, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben, denn jede Seite ist erfüllt von dieser Leidenschaft. Deshalb halten wir es für gut, auch unser Nachdenken darüber in Abschnitte einzuteilen, die wir Ihnen nach und nach zukommen lassen.

So möchte ich Sie in diesem ersten Artikel dazu einladen, gemeinsam mit der Autorin nach dem Sinn und Auftrag von Orden zu suchen. Für Sr. Joan ist die wesentlichste Option für die Enstehung und Existenzberechtigung von Orden die Suche nach Gott. Sie schreibt: „In Wahrheit hat es überhaupt niemals einen guten Grund gegeben, ins Ordensleben einzutreten, außer ‘Gott zu suchen‘.“  In diesem Kontext beschreibt sie klar und kritisch die Situation der Orden und Kongregationen unserer Zeit und geht dabei auf geschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen sowie den Einfluß der Kirche und der Gesellschaft ein. Sie sieht deutlich, dass das, was im Anfang der Entstehung von Gemeinschaften sinnstiftend und notwendig war, heute oft nur noch Bewahrung der Tradition und Festhalten am Gewohnten ist.

Die meisten von uns sind in die Kongregation eingetreten, als das Ordensleben vor allem geprägt war von apostolischer Tätigkeit, aufopferungsvollem Dienst, gemeinsamen Gebet gehalten von einer strenger Tagesstruktur. Zu dieser Zeit war das gut und richtig, aber hier hat uns die Entwicklung der Gesellschaft wohl überholt. Sr. Joan schreibt: „Die Spiritualität der Produktivität ist vorbei.“. Und an anderer Stelle: „Wenn unser Hauptinteresse der Arbeit gilt, die Ordensleute tun, wird folgerichtig das Ordensleben selbst in Frage gestellt, sobald ihre Arbeit – aus welchem Grund auch immer – an Bedeutung verliert.“ Während früher Orden an die Stellen gingen, wo der Staat versagte, d.h. zu den Kranken, Alten, Behinderten, Armen, Sterbenden usw., hat die Gesellschaft hier viel nachgeholt. Die Pionierarbeit der Orden ist getan und nun werden sie „als das benötigt, was sie schon immer sein sollten: eine geistliche Stimme, Zeichen einer Gegenkultur, eine prophetische Präsenz in der  Kultur.“

An dieser Stelle wird langsam deutlich, warum die Autorin den Titel „Unter der Asche ein heimliches Feuer“ für ihr Buch gewählt hat. Das Bild von Feuer und Asche taucht immer wieder auf. Sie selbst ist ganz erfüllt, ja brennt von diesem inneren Feuer, aber sie erlebt die Ordensgemeinschaften oft als Gruppen, die innerlich erloschen sind und nun nur noch die Asche bewahren. Und nun ist es an uns, die Glut zu bewahren und das Feuer neu zu entfachen. Doch wie?

Sr. Joan mahnt: „Wenn das Feuer für eine andere Generation bewahrt werden soll, muss das Ordensleben in dieser Zeit die Stimme Gottes lebendig erhalten.“ Und das ist heute, in einer weitgehenst säkularisierten und dem religiösen Leben gegenüber gleichgültigen Welt oft nicht leicht. Es verlangt von uns auf der einen Seite eine intensive geistliche Suche, ein Vertiefen in das Evangelium, aber gleichzeitig, und das ist die andere Seite, ein Übersetzen und Übertragen der Worte und Texte der Hl. Schrift in das Leben der Menschen von heute. Und es verlangt ein sich Auseinandersetzen mit den Problemen der Menschen von heute, die oft so anders sind als noch vor 30 Jahren. Unser Handeln, unser darauf Reagieren und Antworten muss ein anderes sein. Es gibt keine fertigen, dauerhaften Lösungen, alles ist im Wandel und in ständiger Veränderung. Auch und gerade das Ordensleben. Denn wenn sich die äußeren Formen und Umstände auch wandeln, bleibt unser innerer Auftrag immer der gleiche! Und deshalb sind Ordensleute zu allen Zeiten dazu berufen, Propheten zu sein, d.h. die Gegenwart mit all ihren Nöten und Problemen im Lichte Gottes zu sehen und aus dieser Sicht heraus Antworten und Lösungsansätze anzubieten, die oft nicht verstanden, belächelt oder auch bekämpft werden. Doch die Welt wartet darauf und erwartet sie auch von uns: „Die Aufgabe des Ordenslebens… ist die Übersetzung der großen Fragen des Lebens in die Sprache aller Lebensbereiche hinein… Ist das Ordensleben selbst religiös genug, um sich wieder auf das Evangelium zu besinnen, statt sich auf die Institutionen zu konzentrieren, die es früher sicherlich am treffensten charakterisierten, in dieser neuen Zeit aber anderweitig verankert und eher Teil der Kultur sind, als ihr gegenüber prophetisch zu wirken.“

(Fortsetzung folgt)

Sr.M. Petra Ladig

Die richtige Hilfe im richtigen Moment

Die richtige Hilfe im richtigen Moment

Die richtige Hilfe im richtigen Moment für jemanden zu sein, ist ein Segen für unser Leben.  Um so zu sein bzw. zu werden,  darf man nicht nur die ganze Zeit darauf warten. Der beste Weg es zu werden ist, es immer neu einzuüben und im alltäglichen Leben zu tun. So werden Sie immer  hilfreicher. Seien Sie sensibel für das Wohlergehen und Glück anderer.  Spüren Sie die Traurigkeit oder das Bedürfnis nach Hilfe.  Dieses Gefühl müssen Sie entwickeln, indem Sie die Einzigartigkeit und Wichtigkeit jeder Person um sich herum akzeptieren.  Beginnen Sie mit einem freundlichen Wort oder einem Lächeln.  Erhöhen Sie Ihre Sensibilität gegenüber anderen und Ihre Welt wird schön.

Don Giorgio

Feierlichkeiten in Tansania

Feierlichkeiten in Tansania

In Tansania beginnt nun, nach den religiösen Feierlichkeiten (Ablegung der Ordensgelübde, Aufnahme ins Postulat und Noviziat), ein weiteres Ausbildungsjahr für unsere jungen Mitschwestern . Vor kurzem habe ich über die Planung dieser Feiern geschrieben, nun werde ich etwas über deren Verlauf berichten.

Nach der geistlichen Vorbereitung, bei der vor allem die Exerzitien sehr hilfreich waren, begannen wir mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten. In diesem Jahr wurden diese, aufgrund der Pandemie, örtlich und zeitlich etwas zusammen gerafft. Alles fand innerhalb von zwei Tagen in Chikukwe statt. Diese „intensive“ Feier hatte jedoch auch ihren besonderen Reiz.

Die direkten Vorbereitungen waren in gewisser Weise auch ein weiterer Feiertag – ein Feiertag der Gemeinschaft und der guten Zusammenarbeit. Auch die Schwestern, die aus anderen Filialen zur Feier kamen, halfen mit. Jeder wurde irgendeine Art von Verantwortung übertragen: z.B. waren Sr. Anna (Meisterin der Postulantinnen) und Sr. Jacenta (Oberin in der Nuntiatur) für die Herstellung von Mandazi und Pilau (traditionelle Speisen, die in Tansania bei großen Festen nicht fehlen dürfen) verantwortlich. Die Novizenmeisterin Sr. Xaviera backte Brot und Bananen mit Fleisch. Ich war verantwortlich für das Zerteilen eines Viertelbullen, um ihn dann zusammen mit den Hühnern zuzubereiten. Die Oberin von Nanjota, Sr. Franciszka, schmückte die Kapelle und war zusammen mit Sr. Miriam für die Liturgie verantwortlich. Natürlich gab es viel Freude bei dieser Arbeit, aber mit einer gewissen Zurückhaltung, denn wir wollten auch die Konzentration der Schwestern respektieren, die sich geistlich und in Stille auf ihren großen Tag vorbereiteten.

Am Tag der Feier, am 28. August, mussten einige Schwestern sogar schon um 2:00 Uhr morgens bzw. um 4:00 Uhr früh aufstehen, um ab 6:30 Uhr zu kochen und die letzten Arbeiten erledigen zu können.

Nach den gemeinsamen Gebeten am Morgen begannen die Festlichkeiten mit der Aufnahme von vier Postulanten ins Noviziat, die neue Namen erhielten: Sr. Eliana, Sr. Prisca, Sr. Diana, Sr. Grace. In Tansania bekommen die Novizinnen als äußeres Zeichen der Aufnahme in das Noviziat das Ordenskleid und den weißen Schleier. Für die Novizinnen ist das immer ein sehr wichtiger Moment, denn es gibt eine Veränderung, die für alle sichtbar ist – nicht nur in ihrem Leben, sondern auch im äußeren Erscheinungsbild. Die Ordenskleider und Schleier wurden vom Bischof geweiht und dann von den neuen Novizinnen in Empfang genommen, die sich nun durch die tägliche Arbeit, das Gebet, das Studium des Wortes Gottes und unserer Konstitutionen, aber vor allem auch durch das alltägliche Zusammenleben in Freuden und Problemen darauf vorbereiten, ihre Absicht zu bekräftigen, ihr Leben in der Ordensgemeinschaft Gott zu weihen.

Nach einigen Fotos mit den Novizinnen im neuen Ordenskleid und einem schnellen, aber gemeinsamen Frühstück fand noch eine letzte Gesangsprobe unter der Leitung von Sr. Anna statt.

Um 10.00 Uhr begann die feierliche hl. Messe, in der drei Novizinnen, Sr. M. Stefania, Sr. M. Emilia und Sr. M. Marcelina, ihre ersten Ordensgelübde sowie Sr. M. Regina, Sr. M. Clelia, Sr. M. Inocence und Sr. M. Teodora ihre Ewigen Gelübde ablegten. Die Liturgie dauerte zweieinhalb Stunden. Wahrscheinlich wird sich diese Zeit tief in die Herzen der Schwestern einprägen, der Tag der ewigen Vebindung mit Gott, der völligen Hingabe an Ihn. Diesen Moment kann man nicht vergessen! Sich an diesen Moment zu erinnern, begleitet meiner Meinung nach eine jede von uns, unabhängig von ihrem Alter, und sie hilft, schwierige Momente in unserem Dienst und in unserer geistlichen Entwicklung zu überstehen. Diese weihevolle und schöne Feier hat uns viel Freude in der Mitfeier dieses Gottesdienstes mit unseren neuen Schwestern, aber auch viele Erinnerungen an unsere eigenen Feiern gebracht.

Auf die schöne Liturgie und nach einer kleinen Stärkung des leiblichen Wohls folgte ein künstlerischer Teil, bei dem die Novizinnen und Juniorinnen verschiedene Lieder, Tänze und Sketche vortrugen. Als ich dies sah, wie fröhlich sie uns unterhielten, fragte ich mich, wann sie das vorbereitet hatten. Schließlich gab es vor den Feierlichkeiten noch so viel anderes zu tun.

Singen und Tanzen sind ein integraler Bestandteil jeder Feier in Afrika. Beim Feiern kann man hier kaum auf Gesang und Tanz verzichten. Eines bedingt das andere. Wie soll man singen, ohne sich im Rhythmus der Musik zu bewegen? Wie kann man sich rhythmisch bewegen, ohne die Trommeln zu führen?

Ich denke, dass der Tanz ein Spiegel des Inneren unserer Schwestern ist. Sowohl während der Liturgie als auch in der Rekreation.

Am nächsten Tag erfolgte die Aufnahme von fünf Kandidatinnen in Nanjiota.

Für mich ist diese Zeit des Feierns immer eine große Freude, weil ich sehe, wie die Kongregation hier lebt und sich entwickelt. Ich bin Gott dankbar, dass ich an den Feierlichkeiten teilnehmen kann, die in Polen wegen des Mangels an Berufungen langsam in Vergessenheit geraten. Dann erinnere ich mich an meine Einkleidung, meine ersten und ewigen Gelübde. Es ist auch ein Moment des Nachdenkens über meine Hingabe und meine Treue zu Gott.

Lasst uns Gott für jede Berufung in Tansania dankbar sein.

Sr. M. Monika

IM HERZEN DER KIRCHE

IM HERZEN DER KIRCHE

„Vertrauen Sie Gott, er hat einen besseren Plan für Sie.“

Ein Telefonanruf mit einer Frage: “ Schwester, könnten Sie in der Einrichtung in Żerniki (Breslau Neukirch) helfen, in der einige Mädchen und Frauen mit dem Virus infiziert sind?” Meine Antwort lautet: „Ja, das tue ich gerne.“  Ich kenne das Haus in Żerniki und habe dort mit behinderten Kindern gearbeitet. Die Arbeit an sich hat mich also nicht erschreckt, aber in meinem Kopf hatte ich Gedanken, wie werde ich diese Frauen kennenlernen, ihre Namen erfahren und mich um sie kümmern? Wer wird noch helfen? Wird es weitere Mitarbeiter geben? Trotz dieser Fragen hatte ich Seelenfrieden und die Freude, helfen zu können und darauf zu vertrauen, dass Gott sich um alles kümmern wird.

Viele von uns meinen, es schwer zu haben, wenn sie jeden Tag mit Schwierigkeiten konfrontiert werden, wir beschweren und beklagen uns, weil wir etwas nicht haben oder dass unsere Vorgesetzten von uns zuviel fordern und erwarten oder in bestimmten Angelegenheiten für uns entscheiden. Manchmal beschweren sich die Leute auch bei mir. So werden jeden Tag aus kleinen Dingen große Probleme und manche Einschränkungen, die das Ordensleben mit sich bringt oder die Vorgesetzten von uns verlangen, sind uns lästig. Die Realität, die ich vorfand, nachdem ich nach Żerniki gekommen war, erlaubte mir, bestimmte Dinge in meinem Leben anders zu betrachten.

Die Menschen, um die ich mich kümmern muss, sind sehr geduldig, ohne viel zu klagen oder sich zu wehren, obwohl ihr Alltag nicht optimistisch ist. Unsere Schützlinge haben wenig Einfluss darauf, wie der Tag verlaufen wird. Sie sind fast vollständig von ihren Betreuern abhängig – jemand muss ihnen beim Anziehen und bei der Toilette helfen, sie müssen gefüttert werden und brauchen  Begleitung beim Arztbesuch, die für sie auch sagt, was ihnen wehtut. Die Betreuerinnen und Betreuer wählen für sie aus, was sie essen, welche Schuhe sie tragen und welches Deodorant sie benutzen.

Ich verhehle nicht die Tatsache, dass es manchmal körperlich und emotional schwierig ist. Wir arbeiten 12 Stunden am Tag, in Schutzanzügen, Masken, Schuhschützern, und tun jeden Tag das Gleiche. Routine, Müdigkeit und der innere Kampf, sich nicht zu beklagen. Was gibt uns Kraft? Die Gemeinschaft und gegenseitige Zusammenarbeit, die Gespräche mit den Schwestern, gemeinsame Freuden und bei Schwierigkeiten die gegenseitige Hilfe. Ein Lächeln der zu Betreuenden – wahrhaftig, aufrichtig; ein Blick direkt in die Augen, von einer Person, die nicht sprechen kann, eine Geste des Nickens voller Dankbarkeit, für das gereichte Essen, für die Hilfe im Bad; eine Umarmung, ein Kopf, der auf meiner Schulter ruht, mit den Worten „Schwester, ich mag dich“. – all das kann die wunden Beine und die Müdigkeit, die ganze Anstrengung ausgleichen. Ein anderes Mal kam ein Mädchen nach dem Frühstück und überreichte mir eine Zeichnung mit dem Bild des Barmherzigen Jesus, unter dem sie schrieb: „Jesus ich vertraue auf dich“ – mir kamen die Tränen in die Augen. Der Gedanke – Jesus ist bei mir, ich muss vertrauen, er ist hier unter diesen Mädchen, er ist in ihnen, er gibt Kraft.

Eines Tages beim Mittagessen bemerke ich, wie eine der Frauen einer schwächeren Frau, die neben ihr sitzt, die Schüssel hält und ihr beim Suppen essen hilft. Es mag wie eine „kleine Geste“ erscheinen, aber mit einem aufmerksamen, einfühlendem Herzen. Von ihnen können wir lernen, sensibel zu sein und die Bedürfnisse der Schwächeren zu erkennen.

Wenn ich nach der Arbeit am nächsten Tages Müdigkeit und Kopfschmerzen verspüre, denke ich an das Mädchen, das mit dem Bild Jesu umhergeht, ihn streichelt, ihn ansieht und mit großer Zärtlichkeit küsst. Das bringt mich dazu, mich zu fragen, wie meine Liebe zu Jesus aussieht.

Wir können uns fragen: Wo ist Gott in all dem? Schließlich sind diese Frauen krank, oft abgeschoben und von anderen abhängig. Nun, Er ist in all diesen Situationen, in den kleinen Gesten, im Lächeln, in den Blicken, der kindlichen Freude, in ihrer Sensibilität.

Es ist nicht immer so, wie wir planen, erfinden oder träumen. Wir  können rebellieren, nervös werden, uns beschweren, aber wir können auch nach Sinn suchen, und unsere Lebenspläne ändern, uns an eine neue Situation anpassen, denn alles wird von Gott gelenkt, der besser weiß, was für uns am besten ist.

Die Zeit, die ich zwischen diesen Frauen verbringe, zählt zu den schönsten Momente in den letzten Monaten meines Lebens.

Sr. M. Noemi

 

 

Es ist an der Zeit…

Eine Botschaft, ein Gedanke, ein Moment… und eine Entscheidung.

Die Welt der behinderten Menschen hat mich immer begleitet. In der Familie, zu Hause, in der Schule…

Aber noch nie so sehr, bis bei meinem Neffen nach dem ersten Lebensjahr eine Behinderung diagnostiziert wurde. Der Schrei an Gott hallte wider. Der Glaube an Gott wurde auf die Probe gestellt, die Frage nach dem „Sinn“ der eigenen Berufung. Welchen Sinn hat das Ordenslebens, wenn Gott… so abwesend ist?

Ich denke, dass das Lächeln, die Freude und die Liebe, die dieses Kind in das Leben unserer Familie brachte, uns nicht erlaubte, weiter zu zweifeln.  Ziemlich schnell entdeckte ich in diesem Kind eine „andere, spirituelle Welt“ – schön und selbst für mich unzugänglich – einer Ordensfrau.

Die Zeit ist vergangen, und es ist viel passiert. Manchmal war es möglich, meiner Schwester zu helfen, sie und ihren Sohn beim nächsten Kranken-hausaufenthalte zu begleiten. Im Krankenhaus in Wrocław (Breslau) auf der neurologischen Station traf ich einen Jungen mit einem wunderschönen Lächeln und blonden Haaren, der an einer sehr schweren und schmerzhaften Krankheit litt. Alle sagten mir, es sei ein „Schwestern-Kind“. Ich war überrascht und fragte: „Was heißt das?“ Es stellte sich heraus, dass es ein Junge aus unserem Haus in Piszkowice (Pischkowitz) war. So eine kleine Kreatur hat mir wieder einmal das Herz gestohlen. Ja, es war auch „mein Kind“ – unserer Schwestern, meiner Schwestern aus Piszkowice. Diese kurze Begegnung blieb fest in meinem Herzen.

Als dann im August bei uns wegen des Virus die Bitte um Hilfe kam, war für mich klar, dass ich es wollte, ja sogar musste. Als die Provinzoberin nach der Möglichkeit fragte, in unserem Einrichtung in Żerniki (Breslau-Neukirch) zu helfen, war dies mir aufgrund der Umstände leider nicht sofort möglich …. Und ich dachte: „Oh … in diesem Haus sind es keine Kinder mehr.”

Es fiel mir schwerer als früher, schnell eine Entscheidung zu treffen. Selbst jetzt kann ich nicht ganz erklären, wie es dazu kam, dass ich hierher gekommen bin. Ich schätze, ich habe einfach nicht lange überlegt und nach den Einzelheiten der Arbeit gefragt. Okay. Das mache ich. Das war’s.

Ich habe mich gefreut zu hören, dass andere Schwestern mit mir dort sind. Wir treffen uns gerne in unserer Gruppe. Die ersten Momente unserer gemeinsamen Arbeit – weiße Schutzkleidung, die wir ungeschickt vom Fuß bis zum Hals, Maske und Schutzbrille tragen mussten…, ließen uns den Atem anhalten. Und wie arbeitet man damit…? Wie steht man vor einem kranken Menschen in sochem Anzug…? 12 Stunden Arbeit jeden Tag, auch samstags und sonntags, und das Wissen, dass uns niemand kennt, dass wir in einer fremdem Einrichtung auf uns allein gestellt sind, unbekannte Arbeit, fremde Menschen.  Das waren schwierige Momente.

Der erste Tag der Arbeit mit dieser Schutzkleidung dauerte ewig. Aber der erste Abend kam und die Freude, es auszuziehen und die Aussicht auf Ruhe… uff… Diese Freude war nur kurz, aber eine neue Freude kam… Die abendlichen Treffen mit den Schwestern. Wir konnten reden. So viele Gedanken, so viele Dinge. Wir teilten unsere Ängste und Befürchtungen über das, was vor uns lag, und das Wie…? Wie können wir das machen? So viele neue Dinge in der Arbeit mit diesen Frauen. An vieles konnten wir uns nicht erinnern – „Wer schläft wo, ist sie verwirrt oder ruhig …” Eine der Schwestern wirft die Frage ein: „Ist die Pampers M kleiner als L?” Und viele, vieles andere… Aber eines war sicher, die Gebete unserer Schwestern und die Gewissheit der Gegenwart Gottes, denn „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ Mt 18,20.

Die nächsten Tage dieser Zeit: Eine Zeit der Begegnung mit Gott selbst. Der Lebendige, der unter uns und in jedem von uns gegenwärtig ist. Gott ist vor allem in unseren kranken Mädchen gegenwärtig. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich mit den Mädchen anfreunde. Dass ich sie umarme, immer stärker und ehrlicher, und dass mir ihr Wohl am Herzen liegt.

Gott ist hier so nahe, zum Greifen nahe. Indem ich jemand das Gesicht wasche, das Abendessen serviere, den Boden wische… Jedes Lächeln und jede Geste dieser Frauen.

„Schwester, ich liebe dich.“ – wiederholt Agnieszka, eine Bewohnerin des Hauses hier. Zuerst hörte ich diese Worte im Vorübergehen, dann fühle ich, wie diese Worte in mir leben, wie sie zu den meinen werden… „Ich liebe dich, Agnieszka… Ich liebe euch Mädchen…“

In der Kirche sind sie Sein Herz, ich bin vielleicht ein Arm, ein Bein… aber sie sind der wichtigste und wertvollste Teil Seines Herzens, der das Herz Gottes zerreißt.

Sr. M. Daniela

 

 

„Herr, ich liebe das Haus, in dem du wohnst, und den Ort, an dem deine Herrlichkeit wohnt“ Psalm 26,8

 

Dieses Fragment begleitete mich, seit ich meinen ehrenamtlichen Dienst  in Żerniki (Breslau-Neukirch) begann. Wir beteten es im Brevier, am Tag unserer Ankunft. Als ich mir die Frauen ansah, die sich hier aufhalten, wusste ich, dass dies der Ort ist, an dem Gott ist. Dies ist sein Haus, und ich kann hier sein.

Die Arbeit hier lehrt mich Respekt vor geistig behinderten, psychisch kranken Frauen. Es gibt Frauen, mit denen der Kontakt begrenzt ist: Sie reden nicht, sie zeigen nicht, was sie denken. Und eine der Schwestern sagt: Sie verstehen sehr viel. Es sind Menschen, die viel Respekt und eine würdige Behandlung verdienen: mit Worten, mit Gesten. Wenn ich unter ihnen bin, sehe ich, wie unsere Freude und Offenheit ihnen gegenüber ihr Vertrauen und ihre Herzlichkeit weckt und wie es hilft, sich um sie zu kümmern und für sie zu sorgen. Als ich sie dem Namen nach kennenlernte, kamen sie mir noch näher. Unser anfängliches Entsetzen: „Ob ich das kann“, war schnell vorbei. Wir sind in den Rhythmus dieses Hauses eingetreten, der von der Pflege der Frauen hier bestimmt wird: füttern, anziehen, waschen. Ich mag das Lächeln dieser Frauen, ihr Lachen, ihre Worte begleiten mich, ich spüre ihre Dankbarkeit, ich sehe, wie gerne sie bei uns sind. Wir begleiten die Frauen in ihrer Freude, Trauer, Angst – in diesen Gefühlen sind wir alle gleich. Diese Frauen brauchen so wenig – Zuneigung und ein offenes Herz, jemanden, der sie freundlich ansieht, sie umarmt, bei ihnen bleibt. Für sie ist die materielle Welt nicht wichtig (obwohl sie, wie viele Frauen, eine hübsche Bluse und Perlen am Hals tragen). Das zeigt mir, was der Mensch vermisst: den anderen Menschen, die Berührung, die wirkliche Gegenwart. Die Erfahrung der Präsenz ist Stärke, Sicherheit, Liebe, sie zeigt sich mir bei diesen Frauen so greifbar. Ich bin nicht nur für sie wichtig, sondern sie sind es auch für mich. Das Zusammensein mit diesen Frauen lehrt mich Sanftmut, Demut in dem, was ist. Wir sind uns ähnlich, wenn wir das Wort „Mutter“ mit Zärtlichkeit aussprechen. Viele Frauen, auch solche, die wenig sagen, wiederholen das Wort oft: „Mama.“ Es ist so rührend, dass die Mutter für jemanden immer so wichtig ist. Es ist in die Tiefe ihres Herzens geschrieben. Hier begegne ich dem Reichtum ihrer Herzen. Eine der Frauen sagt: „Ich habe keine Mutter, aber ich habe eine Mutter Gottes, die in der Kapelle ist.”

Ich weiß nicht, woher diese Kräfte in mir kommen, es ist eine ganz alltägliche Aufgabe für 12 Stunden am Tag. Ich betrachte es als ein Geschenk. Diese Zeit jetzt ist eine solche Bereicherung für mich.

Ich genieße die Anwesenheit meiner Mitschwestern, mit denen ich hier zusammen sein kann. Ich sehe, wie die Freude des Zusammenseins einer fruchtbaren Arbeit förderlich ist, die Arbeit geht reibungslos vonstatten, und damit haben wir viel Freude. Hier verblassen alle anderen Probleme.

 

Sr. M. Dominika