Einheit erhalten und vertiefen

Im letzten Monatsvortrag haben wir darüber gesprochen, dass Einheit keine äußerliche Angelegenheit ist, sondern eine innere Beziehung, die die Menschen miteinander verbindet. Wir haben gesehen, dass eine solche Beziehung immer wieder erneuert und vertieft werden muss. Deswegen wurden wir von Sr. Sybilla daran erinnert, wachsam zu sein, um diese Einheit zu erhalten und zu vertiefen. Heute wollen wir darüber nachdenken, wie dies konkret geschehen kann: die Einheit erhalten und vertiefen.

 

Bekehre uns … (GL 266)

In der österlichen Bußzeit – bei uns gängig als Fastenzeit bezeichnet – liegt für viele der Schwerpunkt auf Fasten und Verzicht. Das ist sicher auch nicht schlecht. Doch die Liturgie legt uns einen anderen Schwerpunkt nahe: eine Zeit der Bekehrung und Versöhnung. Wenn wir mit dem Aschenkreuz bezeichnet werden, spricht der Priester: Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium! Und in der 2. Lesung am Aschermittwoch haben wir die Mahnung des Apostels Paulus gehört: Lasst euch mit Gott versöhnen (2 Kor 5,20ff).

Das soll heute unser Thema sein: Versöhnung als ein Baustein der Einheit.

 

Verletzliche Beziehungen

Wie schnell Beziehungen im Alltag angegriffen oder sogar zerstört werden, kennen wir aus eigener Erfahrung. Rechthaberei, Egoismus, Eifersucht, Streit … verändern die Beziehungen und zerstören oft die Einheit. Das gilt für die Beziehungen untereinander wie auch für die Beziehung zu Gott.

 

Erlebte Sünde

Was ist Sünde? Das haben wir als Kinder im Beichtunterricht gelernt. Und anhand der 10 Gebote wurden konkrete Beispiele genannt: den Eltern nicht gefolgt, den anderen gehauen, ihm etwas weggenommen, gelogen …

Wie ist Sünde? Das haben wir im Beichtunterricht leider nicht gelernt. Doch im alltäglichen Leben haben wir es zu spüren bekommen. Wenn wir jemanden angelogen haben, sind wir ihm aus dem Weg gegangen. Das Wort Sünde und das Wort absondern haben den gleichen Wortstamm. In der Sünde wird die Einheit mit Gott sowie in deren Folge auch die Einheit untereinander zerstört. Die Geschichte der ersten Menschen (Adam und Eva, Kain und Abel) in Gen 3 und 4 sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Zerstörung der Einheit. Und seit dem ersten Sündenfall müssen wir uns auseinandersetzen mit der Macht des Bösen. Um so wichtiger dann die Mahnung des Apostels, sich mit Gott und damit auch untereinander zu versöhnen.

 

Nicht vergessen, aber vergeben

Sie kennen sicher die Redewendung: vergeben und vergessen. Ich kann dieser Redewendung nicht zustimmen. Sicher gibt es Dinge, die ich dann nach der Versöhnung auch vergessen kann. Aber viele Dinge kann ich sicher nicht vergessen. Doch ich muss sie auch nicht vergessen. Versöhnung bietet mir eine neue Lebensqualität, die vorausgegangenen Streit und Verletzungen einschließt und überbietet. Ja, ich weiß, dass du mir wehgetan hast. Aber meine Liebe zu Dir ist größer als alle Schuld. Das ist Versöhnung.

 

Gott will Versöhnung

Wie oft erzählt die Hl. Schrift davon, dass wir Menschen uns von Gott abgewandt und den Bund mit ihm gebrochen haben. Im Alten Testament hat sich das Volk Israel immer wieder von Gott abgewandt und ist fremden Götzen nachgelaufen. Das eindrucksvollste Beispiel für Gottes Bereitschaft zur Versöhnung finden wir im Neuen Testament im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15). Die verloren gegangene Einheit zwischen Vater und Sohn beantwortet der Vater mit seinen ausgebreiteten Armen. So geht Versöhnung. Gottes Liebe ist stärker als unsere Schuld. Daher die Aufforderung des Apostels Paulus: Lasst euch mit Gott versöhnen (2 Kor 5,20).

 

Zerschnitten und zusammengeknotet

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine wunderbare Erfahrung mitgeben, die Menschen machen können, wenn sie zur Versöhnung bereit sind. Diese Erfahrung kann man am schönsten bildlich darstellen. Zwei Kinder sitzen im Abstand von 3 Metern entfernt. In der Hand halten beide eine Schnur als Zeichen ihrer Beziehung (Freundschaft). Auf einmal kommt ein Streit. Einer von beiden schneidet mit einer Schere die Schnur durch. Doch beide versöhnen sich wieder, und die Schnur wird wieder zusammengeknotet. Das geschieht mehrere Male. Ich habe dies häufig im Beichtunterricht den Kindern gezeigt und die Frage gestellt: Hat sich etwas verändert? Beim ersten Mal haben die Kinder noch nichts bemerkt. Doch bald konnten sie feststellen: durch die zahlreichen Knoten sind beide Kinder näher zusammengerückt.

So geht Versöhnung: Menschen rücken näher zusammen – untereinander und mit Gott.

 

So ist Versöhnung

 

Wie ein Fest nach langer Trauer,
wie ein Feuer in der Nacht.
Ein offnes Tor in einer Mauer,
für die Sonne auf gemacht.
Wie ein Brief nach langem Schweigen,
wie ein unverhoffter Gruß.
Wie ein Blatt an toten Zweigen
ein-ich-mag-dich-trotzdem-Kuss.

Ref.: So ist Versöhnung,
so muss der wahre Friede sein.
So ist Versöhnung,
so ist vergeben und verzeihn. (2x)

Wie ein Regen in der Wüste,
frischer Tau auf dürrem Land.
Heimatklänge für vermisste,
alte Feinde Hand in Hand.
Wie ein Schlüssel im Gefängnis,
wie in Seenot – Land in Sicht.
Wie ein Weg aus der Bedrängnis
wie ein strahlendes Gesicht.

Wie ein Wort von toten Worten Lippen,
wie ein Blick der Hoffnung weckt.
Wie ein Licht auf steilen Klippen,
wie ein Erdteil neu entdeckt.
Wie der Frühling, der Morgen,
Wie ein Lied wie ein Gedicht.
Wie das Leben, wie die Liebe,
Wie Gott selbst das wahre Licht

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

10.03.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz