Der dreieiniger Gott

Der dreieiniger Gott

Ein Jahr lang haben wir uns Gedanken zum Thema „Einheit“ gemacht. Dabei haben wir uns orientiert an der Hl. Schrift, an den Zeiten und Festen des Kirchenjahres, so wie überhaupt an Erfahrungen eines menschlichen und christlichen Lebens. Wenn Sie möchten, können Sie gern auch noch einmal die einzelnen Themen anschauen, die wir im Laufe des Jahres behandelt haben.

Dazu stelle ich Ihnen mal die Frage: Könnten Sie sich vorstellen, unsere Überlegungen auch mit einem Menschen zu besprechen, der nicht an Gott glaubt? Meine Antwort: ich denke schon. Denn unsere Gedanken zur Einheit werden auch die Menschen verstehen und bejahen, die ohne Religion leben.

Doch so sehr unsere Themen bisher auch in einem menschlichen Alltag erlebbar sind, möchte ich heute beim letzten Monatsvortag den Blick ganz konkret auf Gott lenken, auf den drei-einigen Gott.

 

Dreieinigkeit – ein Geheimnis, das viel sagt

Wenn von der Dreifaltigkeit die Rede ist, dann sagen wir ganz schnell: Das ist ein Geheimnis unseres Glaubens. Das stimmt ja auch, denn erklären können wir dieses Geheimnis nicht. Ich habe mal in meinen Predigten zum Dreifaltigkeitssonntg nachgesehen. Da habe ich gesprochen, was die Dreifaltigkeit tut (Schöpfer, Erlöser, Tröster und Begleiter), und wie man ihr danken und sie ehren kann. Heute möchte ich mit Ihnen darüber nachdenken, wie die Dreifaltigkeit ist: ein Gott in drei Personen. Oder wie es in der Präfation heißt: Mit deinem eingeboreren Sohn und dem Heiligen Geist bist Du (Gott Vater) der eine Gott und der eine Herr.

 

Monarchie oder Koalition

Gestatten Sie mir einen Abstecher in die Politik. Stellen Sie sich vor, Sie wären Königin oder König. Könige waren Alleinherrscher, brauchten niemanden zu fragen und konnten selbstherrlich entscheiden, manchmal wirklich nach Lust und Laune. Bei Tyrannen und Diktatoren haben die Völker das oft leidvoll erleben müssen. Anders in einer Demokratie. Hier dürfen Menschen wählen, wer sie regieren soll. Und da nicht immer eine absolute Mehrheit zustande kommt, werden Koalitionen gebildet. Stellen Sie sich also auch mal vor, Sie müssten eine Regierung bilden und suchten einen oder zwei Koalitionspartner. Da muss man einen Partner suchen, ihn näher kennenlernen, zuhören, was er will, Kompromisse eingehen, nach Meinungsverschiedenheiten immer wieder neu den Dialog suchen, und manchmal auch um der Gemeinschaft willen auf so manche persönliche Profilierung verzichten (Demut). Können Sie da den dreieinigen Gott entdecken …?

 

Sendung und Gehorsam

Weitere Gedanken zur Einheit Gottes finden wir in den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. Da betet Jesus um die Einheit seiner Jünger: Alle sollen eins sein, so wie wir eins sind, ich in dir und du in mir (Joh 17,21). Schon vorher hat Jesus davon gesprochen, wie seine Einheit mit dem Vater aussieht: Ich bin nicht gekommen, um meinen eigenen Willen zu erfüllen, sondern den Willen meines Vaters. Die Einheit mit dem Vater zeigt sich also in seiner Sendung und seinem Gehorsam dem Willen des Vaters gegenüber. Und dies ist kein blinder oder erzwungener Gehorsam, sondern ein freiwilliger und liebender Gehorsam.

 

Zeugnis geben

Eng mit seiner Sendung ist der Auftrag verbunden, Zeugnis zu geben von der Liebe des anderen. Das wird sowohl von Jesus gesagt, der Zeugnis gibt von der Liebe des Vaters, wie auch vom Heiligen Geist, der Zeugnis gibt von Jesus. Ein eindrucksvolles Zeugnis gibt Jesus, als er vor dem römischen Stadthalter Pontius Pilatus steht: Dazu bin ich in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (Joh 18,37). Die Wahrheit ist für Jesus die unbedingte Liebe Gottes zu den Menschen. Für diese Wahrheit hat er gelebt und stirbt sogar dafür.

 

Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt …

Ein Rückblick in die Kirchengeschichte könnte einen nachdenklich machen. Die dunklen Kapitel sind nicht nur die Zeit der Kreuzzüge oder die Machenschaften der Inquisition und der Hexenprozesse. Ebenso dunkel sind die Zeiten, in denen die Christen untereinander sich gezankt und sogar bekriegt haben. Ich denke an die Trennung der orthodoxen Kirche (1054), an die Reformation (1517), an die Schismen innerhalb der katholischen Kirche, wo es auf einmal 2 Päpste gab, und natürlich an die schrecklichen Glaubenskriege wie z.B. in Irland. Das sind Zeugnisse, die das Glauben schwer machen.

 

Die Kugeln – eine Lektion Gottes für die Einheit

Es war einmal ein Mann, der kannte ein herrliches Spiel. Er sammelte bunte Glaskugeln. Und wenn man diese Kugeln durch die Luft warf, leuchteten sie herrlich in der Sonne.

Dieser Mann hatte ein Kind, das er sehr liebte. Diesem Kind wollte er dieses Spiel beibringen. „Pass auf!,“ sagte der Mann, „ich werde dir jetzt eine Kugel nach der anderen zuwerfen.  Jede Kugel hat eine andere Farbe und einen anderen Namen. Diese hier heißt Freude, die dort Arbeit, die da drüben Friede, diese Leid. Du sollst mir jede Kugel sofort zurückwerfen. Das ist der Sinn des Spieles: das Geben und Nehmen im Wechsel. Nur im Flug glänzen die Kugeln so hell.“

Das Kind hatte verstanden, und das Spiel konnte beginnen. Die Kugeln flogen hin und her, und im Flug leuchteten sie in der Sonne.

Dann aber wollte das Kind eine schöne Kugel behalten. Es drückte sie fest an sich. Da zerbrach die Kugel. Vor Schreck vergaß es, die nächste Kugel zu fangen; sie fiel auf die Erde und ging in tausend Scherben. Je mehr das Kind versuchte, die Kugeln festzuhalten, umso größer wurde der Scherbenhaufen; das Kind schnitt sich, tat sich weh dabei und blutete.

Dem Mann, der mit dem Kind spielte, tat das unendlich leid. Und weil er das Kind so liebhatte, kam er hinzu, bückte sich und trug die Scherben weg. Auch er schnitt sich dabei und blutete. Aber jede Wunde, die er dabei selbst bekam, heilte gleichzeitig eine Wunde des Kindes. Schließlich war er so zerschnitten, dass eine Fortsetzung des Spiels unmöglich erschien. Doch er war bereit, weiter zu spielen.

Doch langsam hatte das Kind begriffen. Und als die Kugel der Freude kam, warf es sie im hohen Bogen zu dem Mann zurück, und die Kugel glänzte in der Sonne. Und als das Leid kam, machte er es ebenso. Jede Bewegung war jetzt auf den Mann gerichtet. Und siehe, das Spiel war sehr gut.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

06.12.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz

 

Einheit im Blick auf die Ewigkeit

Einheit im Blick auf die Ewigkeit

November

Wie kein anderer Monat hält uns der November unsere Zukunft vor Augen. Er erinnert uns daran, dass wir irgendwann unser Leben in die Hand des Schöpfers zurückgeben müssen. Aber er hat auch eine Verheißung: ein ewiges Leben bei Gott.

Wenn Sie diese beiden Botschaften ernst nehmen, denken Sie doch mal über die konkreten Konsequenzen nach. Was wäre, wenn Gott in einer Woche oder sogar schon morgen bei mir anklopfen würde?

 

Lichtenberg: Alles im Blick auf die Ewigkeit

Im Tagebuch, das der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg in seiner Untersuchungshaft geschrieben hat, finden wir den Satz: Heute will ich alles im Licht der Ewigkeit sehen. Lichtenberg wird seinen zukünftigen Weg ziemlich klar vor Augen gehabt haben. So hat er die irdischen Dinge sehr ernst genommen, aber alles unter dem Maßstab der Ewigkeit gesehen. Eine gute Grundhaltung für ein geistliches Leben.

Geistliche Übung: Was will ich mit Blick auf die Ewigkeit noch tun? Was will ich verändern? Was will ich loslassen?

 

Der breite Graben

Sie kennen das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann. Beide müssen sterben, der eine kommt in den Himmel (Abrahams Schoß), der andere muss in der Hölle leiden. Himmel und Hölle werden hier einfach durch die Umkehrung der Lebensverhältnisse beschrieben: Wer es sich in dieser Welt hat gut gehen lassen, der muss leiden, und wer leiden musste, dem wird jetzt das Paradies zuteil.

Diese diese Erklärung macht mich schon sehr nachdenklich, fast Angst. Denn ich muss sagen, dass es mir auf dieser Welt total gut geht. Habe ich dann das gleiche Schicksal zu erwarten wie der reiche Mann?

Doch Jesus gibt in seinem Gleichnis eine weitere Erklärung. Da ist von einem breiten Graben die Rede, die die beiden voneinander trennt. Wer hat diesen Graben gemacht? Gott? Und so langsam kommt der Reiche zur Einsicht, dass er diesen breiten Graben gemacht hat, damals zu Lebzeiten, als er den Armen nicht gesehen hat und auch nicht sehen wollte.

Eine weitere geistliche Übung: Wo sehe ich in meinem Leben solche Gräben. Was oder wen trennen diese Gräben von mir? Bin ich bereit, solche Gräben zu sehen und vielleicht sogar zu überbrücken?

 

Keiner von uns lebt sich selber … (Röm)

Die zweite Botschaft des Novembers ist die Verheißung: Und erwartet ein neues Leben in der Herrlichkeit Gottes.

Ich möchte Ihnen dazu einen Text aus der Heiligen Schrift mitgeben, den Sie aus vielen Beerdigungsgottesdiensten kennen. Da schreibt der Apostel Paulus:

Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.

Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn.

Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn. (Röm 14,7-8)

In den Ansprachen wird dann gern auf die zweite Zeile Bezug genommen, auf die Beziehung zu Gott.  Doch davor stellt Paulus unsere Beziehung untereinander. Keiner von uns lebt sich selber, und keiner von uns stirbt sich selber.

Unsere Beziehung zu Gott steht also in einem engen Zusammenhang mit der Beziehung, die wir zu den Menschen haben. Und wenn Paulus danach betont, dass wir Rechenschaft vor Gott abgeben müssen (Röm 14,10.12). Keiner von uns lebt sich selber. Ein Satz, der im Blick auf die Ewigkeit für mich interessant sein könnte.

 

Karl Borromäus – Reformer der Kirche

Keiner von uns lebt sich selber. Was dies bedeutet, und welche Konsequenzen das auch für die Gemeinschaft und Einheit der Kirche bedeutet, kann man sehr gut an einem Reformer sehen: an dem Hl. Karl Borromäus. Gehen wir dazu in das 16. Jahrhundert. Martin Luther hat mit seinen Thesen die Kirche in Europa in Aufruhr gebracht. Die Kirche war gespalten. Wie konnte man die Einheit wiederfinden. Die Antwort suchte man in einem Konzil: dem Konzil von Trient. Einer der entscheidenden Personen auf diesem Konzil war der Hl. Karl Borromäus. Sein Onkel war Papst, und ihm stand eine glänzende Karriere in Aussicht. Doch er hat sich total zurückgenommen, war sehr anspruchslos, und hat seine ganze Arbeitskraft der Kirche gewidmet. Ein Leben für – in diesem Fall ganz konkret für die Kirche. Die Einheit war ihm wichtiger als seine eigene Person.

 

Der wiederkommende Christus

Vor uns steht die Zeit des Advents, die Zeit, in der wir an die Wiederkunft Christi erinnert werden. Wir als Christen haben uns anscheinend daran gewöhnt: ist der seit 2000 Jahren nicht wiedergekommen, dann wird das auch in den nächsten 20 oder 30 Jahren nicht passieren. Anders sieht es aus, wenn es um mein ganz persönliches Leben geht. Da kann es mal ganz schnell gehen, dass ich vor dem Angesicht Gottes stehe. Dder breite Graben könnte dann ein entscheidendes Thema sein. Vielleicht nehmen Sie also für diesen Advent noch einmal das Testament unseres Stifters Pfr. Johannes Schneider zur Hand, oder noch besser zu Herzen.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

22.11.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz