Mitten in der Adventszeit feiert die katholische Kirche ein Fest, an dem ein wichtiger Aspekt von Weihnachten aufscheint. Es ist ein Fest, mit dem viele nur wenig oder gar nichts anfangen können: das Fest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria. Wenn wir das Dogma, dass Maria im Blick auf Christus ohne Erbsünde empfangen wurde, in unsere Wirklichkeit hinein übersetzen, dann heißt es, dass auch wir im Blick auf Christus ohne Erbsünde sind. Dort, wo Christus in uns ist, hat die Sünde keine Macht. In dem inneren Raum in uns, in dem Christus wohnt, haben Sünde und Schuld keinen Zutritt; da ist die Sünde entmachtet. In Maria meditieren wir unser eigenes Wesen, das Geheimnis unserer Erlösung durch Jesus Christus. So wie wir in Maria den lauteren Menschen feiern, der ohne Intrigen und Nebenabsichten ist, der sich ohne Hintergedanken auf Gott einlässt, so glauben wir auch, dass in uns etwas Lauteres und Reines, etwas Unbeflecktes und Unversehrtes ist. Wir sollen uns nicht ständig als Sünder fühlen, sondern als Menschen, die Gott in Jesus Christus verwandelt hat.
Es ist ein optimistisches Fest, das die Kirche da feiert. Es entspricht dem Glanz, der von Weihnachten ausgeht. Es lässt das Licht von Weihnachten in unsere Gebrochenheit hinein leuchten. Wir erleben uns oft genug nicht als lauter und makellos. Auch wenn wir etwas Gutes tun, haben wir Nebenabsichten, möchten wir bei andern gut ankommen, wollen wir gesehen werden. Wir wissen um unsere Tendenz, uns besser darzustellen, als wir sind. Selbst in unsere Nächstenliebe schleichen sich egoistische Motive ein. In Maria schauen wir das Geheimnis unserer eigenen Erlösung. In uns sind nicht nur die Trübungen und Verfälschungen, in uns ist auch ein lauterer und reiner Kern, etwas, das von Schuld und Sünde nicht infiziert ist. Die Festtagslesung aus dem Epheserbrief drückt das so aus: „In Christus hat Gott uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig (immaculati) leben vor Gott.“ (Eph 1,4). Dort wo Christus in uns ist, sind wir ohne Makel. Auch wenn wir um unsere Lügen und hinterlistigen Schliche wissen, so dürfen wir doch darauf vertrauen, dass etwas in uns ganz lauter und rein ist. Etwas in uns ist heil, ist ganz und gar durchlässig für Gottes Liebe. Dort, wo Christus in uns ist, haben unsere Schuldgefühle, mit denen wir uns oft genug zerfleischen, keinen Zutritt. Da haben die Selbstentwertungen und Selbstbeschuldigungen keine Chance, einzutreten. Dort sind wir im Einklang mit uns selbst. …
Und dort, wo Christus in uns geboren wird, dort hat die Sünde keinen Zutritt, dort sind wir rein und heilig.
P. Anselm Grün (OSB)