Karfreitag
Lesungen Jesaja 52,13-53,12; Hebräer 4,14-16; 5,7-9
In der Stunde, in der die Macht zu triumphieren scheint, wählt Gott das Kreuz als seinen Thron und entlarvt die Lüge jedes Egos, das durch Stärke den Sieg beansprucht. Das ist kein passives Leiden – es ist radikale Barmherzigkeit. Auf Golgatha stirbt Christus nicht einfach nur; er verändert den Lauf der Geschichte. Jeder Schlag, den er erträgt, jeder Nagel, der ihn durchbohrt, jeder Schrei, den er ausstößt, ist ein Schlag gegen die Herrschaft der Sünde, der Gewalt und des Todes. Der gekreuzigte Christus entfesselt seine Liebe bis zum Ende. Die Welt verspottet ihn: „Komm herunter vom Kreuz!“, aber er bleibt – nicht weil er machtlos ist, sondern weil er sich weigert, sich selbst zu retten, während wir versklavt bleiben. An diesem Tag trauern wir nicht um einen Märtyrer – wir fallen vor den durchbohrten Gott, der Gerechtigkeit durch Barmherzigkeit, Macht durch Opfer und Tod durch Hingabe umstürzt. Das Kreuz ist nicht das Ende der Hoffnung, sondern die Apokalypse falscher Hoffnungen. Wenn wir uns seine Jünger nennen, dürfen wir nicht nur auf das Kreuz starren – wir müssen es auf uns nehmen. Denn Karfreitag ist kein Tag, an dem wir Christus bemitleiden, sondern der Tag, an dem er uns aufruft, mit ihm zu sterben. Zu sterben für den Komfort. Zu sterben für die Kontrolle. Zu sterben für die Illusion, dass Heiligkeit ohne Wunden möglich ist. Dies ist die Stunde der Wahrheit, und das Kreuz ist die einzige Kanzel, von der die Liebe ohne Kompromisse spricht.

Don Giorgio