Verrat

Verrat

Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohenpriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern. [Mt 26, 14-16]

 

Was könnte Judas dazu gebracht haben, den Meister zu verraten und ihn in die Hände seiner Feinde zu liefern? Er war von Jesus selbst auserwählt und berufen worden, ihm nachzufolgen, er hatte mit ihm gelebt, seine Predigten gehört, seine Wunder gesehen… Aber all das war nicht genug, um ihn zu überzeugen. Jesus erfüllte zwar die Erwartungen vieler, die auf den Messias warteten, aber sicher nicht die Erwartungen des Judas! Wenn unsere Erwartungen zu hoch sind oder nicht zu dem passen, was eine Person ist und geben kann, dann kann das passieren, was Judas mit Jesus tat.

 

Judas, der unaufrichtige und rebellische Freund,

das sind wir auch!

Vergib uns, Herr!

Wie oft wollen wir Dich verraten und Dich für ein paar Münzen verkaufen.

Wie oft kehren wir Dir den Rücken zu,

weil wir denken, dass Du uns im Stich gelassen hast!

Wie oft werfen wir Dir vor,

dass Du nicht so handelst, wie Du  solltest!

Du kennst unsere Ängste und Unsicherheiten,

den bitteren Geschmack unserer Judasküsse,

und doch heißt Du uns immer als Freunde willkommen.

Fiorenzo Salvi

Giampietro Polini

Verleugnung

Verleugnung

Simon Petrus sagte zu ihm: Herr, wohin willst du gehen? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen. Petrus sagte zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben. Jesus entgegnete: Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, das sage ich dir: Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.  [Joh 13, 36-38]

 

Großmut und Brüchigkeit scheinen bei Petrus durch. Er ist bereit, sein Leben für Jesus zu geben, aber auch, ihn zu verleugnen, um sich selbst zu retten. Es ist ein Kontrast, der auch in jedem von uns wohnt. Wir sind bereit, Gutes und Richtiges zu tun, aber wir sind auch blockiert durch die Angst vor dem zu zahlenden Preis. Nur ein demütiges Bewusstsein unserer Gebrechlichkeit hilft uns, im Moment der Prüfung nicht von der Angst überrumpelt zu werden. Petrus wird erst, nachdem er seine Verleugnung zugegeben und darüber geweint hat, bereit sein, sein Leben für den Meister zu geben.

 

Wie Petrus sind wir,

Herr Jesus.

Wir sind Deine ängstlichen Jünger

die nicht wissen, wie sie an Deiner Seite bleiben sollen

in einem Moment der Prüfung.

Wie einfach es ist, Dich zu verleugnen,

wie gefährlich es ist, zu behaupten, Dein Freund zu sein!

Wie einfach es ist, Dich zu betrügen,

wenn uns etwas angeboten wird von anderen,

die mehr wert zu sein scheinen als Du.

Verlasse uns nicht in der Versuchung.

Vergib uns und vertraue uns wieder, wenn wir Unrecht getan haben.

Florenzo Salvi

Giampietro Polini

Der Duft der Liebe

Der Duft der Liebe

Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Bethanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt.

Joh 12, 1-3

 

Jesus hatte auch Freunde. Die Familie von Martha, Maria und Lazarus war zweifellos für ihn ein wichtiger Bezugspunkt und er genoss es, in diesem Haus zu sein, wo er sich willkommen und geliebt fühlte. Beim letzten Abendmahl mit ihnen macht Maria eine überraschende Geste. Ihre Liebe zu ihm ist so tief, dass sie keinen anderen Weg findet, diese auszudrücken, als dieses so teure Öl verschwenderisch über Jesu Füße auszugießen, mit Gesten von außerordentlicher Zärtlichkeit. Dies ist der letzte wahre Trost für Jesus, vor seiner Passion.

 

Ich würde gerne von Martha lernen, wie ich dir dienen kann,

von Lazarus, bei dir zu sein,

von Maria, dir meine großzügige Liebe zu zeigen

ausgegossen wie kostbares Öl in übertriebener Fülle.

Ich würde gerne Deine Gegenwart wie wohlriechenden Duft in meinem Haus, in meiner Familie, in meiner Gemeinschaft haben….

Gib, Jesus, dass ich jeden Tag in tiefer Freundschaft mit Dir leben kann.

 

Fiorenzo Salvi

Giampietro Polini

Geboren bei unseren Schwestern

Geboren bei unseren Schwestern

Ich wurde am 12. September 1937, an einem Sonntag gegen 9.00 Uhr in Berlin geboren. Ich war ein Einzelkind.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren meine Eltern aus Polen nach Burgwall bei Berlin ausgewandert. Dort hatten wir einen großen Laden, in dem es alles gab: Lebensmittel, Spielzeug, Bettwäsche. Ich war immer froh, dort zu sein. Ich erinnere mich, dass nicht nur Polen in den Laden kamen, sondern auch Juden, Russen und Deutsche.

Als ich 4 Jahre alt war, wurde mein Vater erschossen. Danach brachte mein Onkel meine Mutter und mich nach Polen, in die Nähe von Chojnice. Wir ließen uns in Lipka (Kreis Złotów) nieder, wo ich meine spätere Kindheit und Jugendzeit verbrachte.

Als ich 8 Jahre alt war, heiratete meine Mutter zum zweiten Mal.

Da meine Eltern nicht in Lipka bleiben wollten, zogen wir nach Slupsk. Ich habe dort die Grundschule abgeschlossen. Als Teenager begann ich zusammen mit meiner Mutter, die Räume für den Katechismusunterricht in der Pfarrei zu reinigen. Ich habe auch noch in einer Zahnarztpraxis und bei Ordensschwestern geputzt.

Für ein Jahr ging ich nach Chojnice, in ein Internat für Mädchen, das von den Franziskanerinnen von der Passion Christi geführt wurde. Es waren siebzig Mädchen dort.  Dort haben wir Kenntnisse über gute Umgangsformen erworben. Die Schwestern brachten uns bei, wie man sich bei Tisch und an verschiedenen Orten richtig benimmt, wir machten verschiedene Handarbeiten und lernten Kochen. Später kehrte ich in mein Elternhaus zurück.

Schon als Kind wollte ich Ordensfrau werden. Es gab Schwestern in Słupsk, wo ich mit meinen Eltern lebte, aber ich wollte nicht in eine Gemeinschaft gehen, die in der Nähe meiner Familie war, sondern woanders hingehen.

Als ich etwa zwanzig Jahre alt war, fand ich die Adresse unserer Schwestern in der Zeitung „Przewodnik Katolicki“ („Katholischer Führer“). Dann habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich ins Kloster gehen möchte. Meine Mutter nahm diese Information sehr gelassen, sie sagte sogar: Wenn meine Cousine ins Kloster gegangen ist, kannst du auch gehen, sie war ein Einzelkind und du bist auch ein Einzelkind.

Ich konnte sehen, dass dies für meine Mutter eine gute Nachricht war, also beschloss ich, gleich einen Brief an die angegebene Adresse zu schreiben, die in der Broschüre angegeben war. Mama las den Brief und stimmte zu, ihn abzuschicken, und sah dann den Umschlag mit der Adresse, an die der Brief geschickt werden sollte. Nach einem Moment des Nachdenkens, sagte sie: „Du gehst zu den Schwestern, wo du geboren worden bist“.

Ich war überrascht von dem, was Mama sagte, ich verstand es nicht und als sie meine Überraschung sah, erzählte sie mir, wie es war, als meine Geburt bevor stand: „In Burgwall gab es in der Nähe unseres Hauses Elisabethschwestern, und als ich Wehen bekam, ging ich zu ihnen, da sie einen Kreißsaal hatten. Doch sie hatten leider keinen Platz und konnten mich nicht aufnehmen, also bin ich 50 Kilometer weiter nach Berlin gefahren. Dort fand ich einen Platz im Kreißsaal bei den Marienschwestern. Und dort, bei ihnen, wurdest du geboren.“

So erfuhr ich, dass ich in Berlin bei unseren Schwestern geboren wurde, in deren Gemeinschaft ich als Erwachsene eintrat. Gott führt uns auf erstaunliche Weise.

* * * *

Meine Mutter lehrte mich auch, zu vergeben, zu danken, sich zu entschuldigen und zu beten und keinen Groll gegen eine andere Person zu hegen. Sie bekräftigte, dass man sich immer wieder zusammenfinden solle, auch wenn jeder von uns anders ist. Ich soll immer beten und verzeihen.

Das ist es, was meine Mutter mich gelehrt hat und was ich versucht habe, in meinem Ordensleben umzusetzen, und das ist es, was ich für jede von uns in diesem Jahr der Einheit in unserer Kongregation wünsche.

Sr. M. Kryspina

Nachdenken über den heiligen Josef

Nachdenken über den heiligen Josef

Wir erleben in der Kirche das Jahr des heiligen Josef. Es ist März, der Monat, in dem sich unsere Kongregation durch Novene, Fasten und Wallfahrt zum Heiligtum des Schutzpatrons der Familien in Kalisz auf die Feier des Festes des Bräutigams der seligen Jungfrau Maria vorbereitet. Und in diesem Zusammenhang ist in mir der Gedanke gereift, dass ich mit Ihnen teilen möchte, was ich in der jüngsten Vergangenheit erleben durfte.

Als mich die Provinzoberin im Frühjahr 2019 anrief, war ich in der Schule und hatte gerade Pause. In dem Anruf ging es um ein Aufbaustudium, das vom Kinderschutzzentrum an der Ignatianum-Akademie organisiert wird, eine Akademie in Krakau. Ich war überrascht, denn nach mehr als zwanzig Jahren als Katechetin und zahlreichen anderen Pflichten zu Hause, hatte ich eine solche Möglichkeit nicht mehr in Betracht gezogen. Ich dachte, gibt es denn keine jüngeren Schwestern in der Provinz? Und auch der Name des Kurses war nicht ansprechend: Prävention von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche! Gleichzeitig spürte ich, dass dieser Wunsch eine Art Herausforderung für mich war. Ich sah eine Kontinuität zwischen der Thematik des vorgeschlagenen Aufbaustudiengangs und meiner bisherigen Bereitschaft, nicht nur Religion, sondern auch Familienerziehung zu unterrichten. Die Provinzoberin sagte auch, dass der Vertreter des Zentrums für Kinderschutz Informationen an die höheren Ordensoberinnen geschickt habe mit der Bitte, Vertreter/innen ihrer Kongregationen zu einer solchen Fortbildung zu entsenden, angesichts des immer mehr zutage tretenden Problems des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. So nahm ich die Herausforderung an. Später stellte sich heraus, dass die meisten Studenten in unserem Programm Menschen mittleren Alters waren. Offensichtlich war eine gewisse Lebenserfahrung notwendig, um die Last der besprochenen Themen zu tragen.

Was hat das mit dem heiligen Josef zu tun? Nun, der Beschützer der Kirche war zuerst der Beschützer des Sohnes Gottes. Er gab Jesus ein Zuhause und das Gefühl der Sicherheit, als er als Kind am verletzlichsten und vielen Gefahren ausgesetzt war. Und als rechtschaffener Mann nahm er Maria an, obwohl es Gottes Eingreifen brauchte, um eine solche Entscheidung zu treffen und Josef auch nicht alles verstand. – Aber: er schützte das Leben, er schützte den Menschen.

Wenn in den Medien immer wieder Berichte über den Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker (und andere Menschen) auftauchen, haben ihre Autoren wahrscheinlich nicht das Wohl der Kirche im Sinn. Wenn man in der Gemeinschaft die Reaktion der Schwestern auf diese Art von Berichterstattung hört, dann reden sie oft von einer Kampagne, dem Kampf oder den Lügen gegen die Kirche. Diese Situation kann man aber auch etwas anders betrachten, da das Problem schon lange besteht und kein Einzelfall ist. Es ist schon in früheren Jahrhunderten aufgetaucht, und in den letzten Jahrzehnten wurden von Papst Johannes Paul II., Benedikt XVI. und jetzt von Papst Franziskus klare Maßnahmen gegen Verbrechen des sechsten Gebotes an Minderjährigen ergriffen. Versuchen wir, in diesen Ereignissen eine Chance zu sehen, von einer klerikalen Kultur, die das Verschweigen von Missbrauch begünstigt, zu einer wahren evangelischen Kultur zu kommen, in der jeder Mensch zählt und mit dem sich Jesus mit den Worten identifiziert: “ Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt,  das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Es ist auch die Chance, von einer falsch verstandenen Kultur der Diskretion – die den Täter schützt und das Opfer belastet – zu einer Kultur der Transparenz überzugehen – die ein Gefühl der Sicherheit schafft und die Würde jedes Menschen respektiert. Ein solcher Weg mag schwierig sein, aber er dient der Glaubwürdigkeit der Kirche. Auf diese Weise werden die Worte Christi wahr: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh. 8,32).

Unser Platz in der Kirche ist bei den Schwächsten, bei denen, die in der Welt am wenigsten zählen. So ist es seit den Zeiten des Stifters und der ersten Marienschwestern. Daher ist der Patron unserer Kongregation ein Vorbild für uns, wie wir Kinder, Jugendliche und Frauen vor Gewalt schützen können, nicht nur vor sexueller, sondern auch vor anderen Formen, einschließlich Gewalt im Internet.  Wenn wir den heiligen Josef betrachten, finden wir kein einziges Wort, das er in der Bibel gesagt hat. Auf diese Weise lehrt er uns, zuzuhören. Hören auf Gott und Hören auf den Menschen – aufmerksames, mitfühlendes, unterstützendes Zuhören, das zu konkreter Hilfe für konkrete Menschen führt. Das ist es, was Gewaltopfer brauchen, nämlich ihnen mit Respekt und Verständnis zuzuhören, ohne zu starke Emotionen zu zeigen, und ihnen zu glauben, dass sie die Wahrheit sagen. Sie erwarten Hilfe oder zumindest Rat und Orientierung. Der heilige Josef war als Mensch auch den religiösen und weltlichen Gesetzen seiner Zeit unterworfen. So lernen wir von ihm, die geltenden Gesetze zu respektieren und zu befolgen. Im Bereich des sexuellen Missbrauchs geht es zuerst darum, geschickt auf Hinweise oder sichtbare Anzeichen von Missbrauch bei unseren Klienten und allen, mit denen wir tun haben, zu reagieren. Erst im zweiten Schritt geht es dann darum, geeignete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Vertretern der kirchlichen und staatlichen Stellen zu ergreifen.

Zu bedenken ist auch, dass sich unter den Tätern und Mittätern von sexuellem Missbrauch auch Frauen, Mütter, Lehrer und Betreuer befinden. Umso wichtiger ist es für uns, transparent zu sein und unser Leben nach den Worten Jesus auszurichten: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen Kleinen verloren geht.“ (Mt 18,14). Bemühen wir uns um den Schutz der Kinder, denn unser Herr identifiziert sich mit ihnen: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“ (Mt 18,5). Es kommt auch oft vor, dass das Opfer zum Täter wird. Deshalb wollen wir mit unserer Präventionsarbeit dazu beitragen, das Ausmaß des Phänomens allmählich zu verringern, das so viele menschliche Dramen verursacht, über die die Opfer oft erst Jahre später, wenn sie schon erwachsen sind, zu sprechen beginnen, weil vorher Scham und Hilflosigkeit ihren Mund verschlossen haben.

Zum Abschluss meiner Überlegungen möchte ich um das Gebet für die Opfer von Gewalt bitten, insbesondere für die Opfer sexueller Gewalt. Bei meiner Arbeit als Katechetin in vielen Schulen bin ich persönlich vielen Schülern begegnet, die Opfer von sexueller Gewalt in der Familie waren… Solche Wunden brauchen lange Zeit, um zu heilen, manchmal ein Leben lang.  Wenn ich jetzt jeden Tag das Bild des heiligen Josef in unserer Hauskapelle betrachte, bin ich bewegt von der zärtlichen Fürsorge, mit der er den kleinen, hilflosen Jesus in seinen Armen hält. Es ist eine Einladung für mich, mich um diejenigen zu kümmern, denen ich diene, genau wie der Hüter und Pflegevater des Sohnes Gottes.

Sr. M. Michaela

Meine ersten Schritte in Manila

Meine ersten Schritte in Manila

Ich möchte mit Ihnen meine dreimonatige Erfahrung als Missionarin in Manila, der Hauptstadt der Philippinen, während der Zeit der Pandemie teilen. Als ich im letzten November in Manila ankam, nahm mich Schwester Claudia mit in eines der ärmsten Viertel Manilas – die Payatas, das nur wenige Autominuten von unserem Haus entfernt liegt. Dort arbeiten unsere Schwestern im Apostolat. Die Payatas ist ein Viertel, das auf einer riesigen Müllhalde entstanden ist, wo der Müll aus der ganzen Stadt herangeschafft wird. Ein sehr großer Teil der dort lebenden Bevölkerung trennt den Müll. Und ich muss zugeben, dass ich sehr überrascht war, dass so nahe neben uns Menschen in solcher Armut leben. Ich habe mehrere Jahre in Tansania gearbeitet und Armut gesehen, aber nie so extreme Armut wie hier. Und noch etwas: Wir sind fast jeden Tag mit dem Auto, den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß in den Straßen von Manila unterwegs, aber ich habe hier keine Menschen gesehen, die Alkohol trinken oder einfach nur betrunken sind, was in Europa ein gängiges Bild ist.

Die zweite Sache, über die ich Ihnen erzählen möchte, ist der Katholizismus und die Religiosität der Menschen hier.  Als Schwester Claudia und ich zum ersten Mal in ein Einkaufszentrum gingen, war ich überrascht, dort das Angelusgebet um 12 Uhr und das Gebet der Göttlichen Barmherzigkeit um 15 Uhr zu hören. Und das ist noch nicht alles – in jedem Einkaufszentrum gibt es eine Kapelle und trotz der Pandemie wird jeden Tag um 12 Uhr eine Messe gefeiert, an der jeder teilnehmen kann. In jedem Geschäft steht ein Altar mit einer Statue des Prager Jesuskindes, hier „Santo Niño“ genannt, dem ältesten und am meisten verehrten Bild des Jesuskindes auf den Philippinen, das vom Entdecker Ferdinand Magellan als Geschenk für die ersten Christen des Archipels hierher gebracht wurde.

Weiterhin ist mir noch aufgefallen und das gefällt mir, dass in den Kirchen die Laien und Jugendlichen sehr stark eingebunden sind, einige sind für die Blumen zuständig, andere bereiten die Lesungen vor, andere die Kommentare oder den Gesang, andere sind für den Altar zuständig, bei jeder Messe gibt es einen liturgischen Altardienst.  Die Figuren von Jesus, der Gottesmutter oder den Heiligen sind fast lebensgroß, immer in schön genähte Gewänder gekleidet, dem Anlass entsprechend reich geschmückt, mit natürlich schönem Haar. Genau wie auf dem beigefügten Bild.

Es gibt auch einen sehr schönen Brauch, die Tradition, den Älteren Respekt zu zollen. Die sichtbarste Art, Respekt zu zeigen, ist das Auflegen einer Hand auf die Stirn einer älteren Person. Diese Tradition ist immer noch lebendig und weit verbreitet. Wenn wir durch die Straßen von Manila gehen, laufen oft Kinder auf uns zu, legen ihre Hand auf unsere Stirn und bitten: „Schwester segne mich.“

Wir vertrauen darauf, dass die Zeit der Pandemie, die uns in unserer Arbeit einschränkt, zu Ende geht, und wir bitten Gott in unseren Gebeten darum.                                                                                     Schließlich bitte ich alle, für unsere Mission hier auf den Philippinen zu beten, damit wir die Arbeit unseres Stifters fortsetzen und weiterentwickeln können.

Mit herzlichen Grüßen und dem Gedenken an alle, die uns geistig und materiell unterstützen.

Sr. M. Agata Sobczyk