Ich bin der Weinstock (Joh. 15,5)

Ich bin der Weinstock (Joh. 15,5)

Wein – so alt wie die Menschheit?

Wein ist ein uraltes Kulturgut. Seit frühesten Zeiten haben Menschen den Wein angebaut, ihn kultiviert, ihn bei Festen und Feiern getrunken, und nicht zuletzt auch seine berauschende Wirkung erleben müssen. All dies findet sich auch in den Schriften der Bibel wieder. So greift auch Jesus in seiner Verkündigung das Bild vom Weinstock auf, um damit ein schönes Thema anzusprechen: die Verbundenheit mit Gott.

 

Verbunden oder getrennt

Das Thema der Bildrede vom Weinstock ist eigentlich eindeutig. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Und nur wenn ihr in mir bleibt, könnt ihr reiche Frucht bringen.

Natürlich, wenn ich die Trauben abschneide, können sie nicht mehr weiterwachsen, sondern vertrocknen. Und wenn ich mich bei einer Bergwanderung vom Seil des Bergführers löse, kann es sein, dass ich abrutsche und schlimmstenfalls abstürze. Es scheint also sinnvoll zu sein, mit dem Weinstock oder dem Seil des Bergführers verbunden zu bleiben.

 

Communio – Verbindung mit Christus

Christus spricht in seiner Bildrede nun die Verbindung zu ihm an. Nur wenn ihr in mir bleibt, könnt ihr reiche Frucht bringen. Wie sieht diese Verbundenheit mit Christus aus.

Geistliche Übung: wie würden Sie Ihre Verbundenheit mit Christus beschreiben? Gebet, Zeit für ihn haben, nach seinen Geboten leben …?

 

Communio an Bedingungen geknüpft?

Jesus selbst beschreibt, wie die Verbindung mit ihm aussehen könnte. Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben. Der Satz erinnert mich an Schulzeiten: Wenn ihr artig seid, dann lese ich euch etwas vor. Wir müssen als Schüler also in Vorleistung gehen, bevor wir etwas vom Lehrer bekamen. Ist das bei Gott auch so? Müssen wir uns seine Gnade erst verdienen?

 

Gott macht den ersten Schritt

Die Bibel kennt eine andere Reihenfolge:

– Berufungserzählungen: Gott beruft. Dann kommt die Geschichte mit dem Berufenen; und trotz aller Misserfolge macht Gott seine Berufung nicht rückgängig.

– Herrschen und dienen: Jesus spricht nicht nur vom Dienen, er handelt als erster so (Fußwaschung); dazu Gedicht von Goethe: Legende.

– Vergeben: Jesus geht auf die Menschen zu, und dies ändert das Leben der Menschen radikal. Beispiel: Zachäus.

Nicht der Mensch geht also in Vorleistung, sondern Gott. Ein zuvorkommender Gott.

 

Freude am Evangelium

Vor einigen Jahren hat Papst Franziskus ein Apostolisches Schreiben herausgegeben. Titel: Freude am Evangelium. Ich habe es sehr gern gelesen. Allein die Bildersprache des Papstes hat mich beeindruckt. „Die Kirche ist nicht Zollstation, sondern Vaterhaus.“ Und an anderer Stelle „Die Kirche ist ein Haus mit offenen Türen.“ Offene Türen – damit meint der Papst nicht nur die Kirchentüren, sondern offene Türen für die Menschen, und offen für die Sakramente der Kirche. Sakramente sind nicht Belohnung für ein gutes Leben, sondern Stärkung für die Schwachen. Es ist also umgekehrt: nicht wir müssen in Vorleistung gehen, sondern Gott gibt seine Liebe unverdient und ungeschuldet. Er will also, dass wir am Weinstock bleiben und so mit ihm in Verbindung blieben.

 

Bleibt in meiner Liebe

In seiner ersten Enzyklika schreibt Papst Benedikt XVI. über die Liebe. Dabei unterscheidet er zwei Arten der Liebe. Die eine Art ist eine Liebe, die schnell auflodert, dann aber ebenso schnell wieder verlischt. Die andere Art der Liebe wächst langsam, ist dafür aber lang anhaltend und beständig. In seiner Bildrede vom Weinstock fordert Jesus uns auf, nach dieser bleibenden Liebe zu suchen.

 

Espresso umsonst

In Neapel gab es einmal eine schöne Gewohnheit. Wenn jemand besonders gut aufgelegt war und in einer Bar einen Espresso trank, zahlte er zwei statt einen. Der zweite Kaffee war für einen Gast reserviert, der nach ihm kommen würde, und der ihn nicht bezahlen konnte. Also eine Geste der Menschlichkeit.

Ich kann mir gut die Überraschung vorstellen, wenn jemand einen Espresso trinken möchte und ihn nicht bezahlen muss. Überraschungen dieser Art verändern das Leben und bringen Licht in den oft trüben Alltag. In der Bibel kann man oft von solchen Überraschungen lesen.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es hier zu keiner direkten Begegnung zwischen dem Spender und dem Empfänger kommt. Der Arme weiß nicht, bei wem er sich bedanken soll. Das erinnert mich an die Vorschriften zur Nächstenliebe im alten Judentum. Da gibt es einen Raum mit zwei Türen. Durch die eine Tür kommen die Geber herein und legen ihre Gaben ab. Nachdem sie weggegangen sind, kommen die Armen durch die andere Tür und empfangen die Gaben. Dadurch entsteht keine Abhängigkeit. Ein Akt der Würde für den Empfänger.

Doch auch der Geber weiß nicht, wer seinen Espresso bekommt. Vielleicht ein freundlicher Mensch, vielleicht aber auch ein ganz unsympathischer Typ. Und trotzdem bekommt er die Zuwendung. Diese Geste atmet für mich eine Weite, die ich großartig finde. Das erlebe ich bei Gott. Er macht seine Zuwendungen nicht abhängig von Sympathie oder Dankbarkeit. Er verschenkt einfach. Ein großzügiger Weinstock.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

09.09.2022   Monatsvortrag St. Franziskus-Krankenhaus, Berlin-Tiergarten

20.09.2022   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz

 

Montag, 29 August

Montag, 29 August

Die Enthauptung Johannes des Täufers

Evangelium Markus 6,17-29

Es ist unsere Gleichgültigkeit, die die Stimme der Wahrheit in uns und um uns herum zum Schweigen bringt. Alle Gäste des Königs sagten kein Wort gegen die Ungerechtigkeit des Wunsches der Tochter der Herodias. Denn sie wollten den König nicht verärgern. Wie oft haben wir gegen Ungerechtigkeit geschwiegen, um uns in unserer Wohlfühlzone zu halten? Die Enthauptung von Johannes dem Täufer ist ein Beispiel für unsere stille oder aktive Beteiligung an der Ungerechtigkeit unter uns. Umso wichtiger ist es, dass wir die Stimme unseres eigenen Gewissens nicht durch unsere Gleichgültigkeit abtöten. Reagieren wir auf die Gnade der Wahrheit und bekämpfen wir die Ungerechtigkeit.

 

 

Gebet um Vertrauen und um die Gabe des Friedens mit Johannes Paul II

Gebet um Vertrauen und um die Gabe des Friedens mit Johannes Paul II

Gott unserer Väter, groß und barmherzig! Herr des Lebens und des Friedens, Vater aller Menschen. Wir nehmen heute zu Dir unsere Zuflucht und erbitten Deine Hilfe auf die Fürsprache des heiligen Josef, des fürsorglichen Beschützers Jesu. Du selbst hast ihn als Bräutigam der Gottesmutter zum Haupt der Heiligen Familie erwählt. Auch für uns als Schwestern der Unbefleckten Jungfrau Maria ist er die Stütze in Schwierigkeiten, aber vor allem ist er der Vater und Beschützer unserer Ordensfamilie. Heute stehen wir in diesem Heiligtum vor Dir, um Dir mit Liebe im Herzen unsere Kongregation und unsere Zukunft anzuvertrauen, denn die Zeit und alles ist Dein. Wir vertrauen Dir unsere Ängste und Zweifel an, alles, was unsere Gegenwart ausmacht. Unsere Vergangenheit liegt in Deiner Hand. Unsere Gegenwart liegt in Deinen Händen. Und unsere Zukunft liegt in Deinen Händen. Jede Einzelne von uns ist in Deinen Händen. Gib uns den Mut, immer wieder zu glauben, dass wir in Deiner Hand sind. Denn dein Wille ist Frieden, nicht Angst. Unsere Sorge vor der Zukunft erzeugt Angst, und das ist ein schreckliches Gefühl, so zerstörerisch wie ein Krieg. Heiliger Josef, Gott hat dich zum Herrn seines Hauses und zum Verwalter seines gesamten Besitzes ernannt. Wir rufen dich heute an in der Furcht vor den Geistern der Hölle. Möge der Hl. Erzengel Michael uns helfen, unsere Seelen vor der ewigen Verdammnis zu retten. Wir fürchten den Krieg, der Tod und Zerstörung bringt. Aber dieser und jeder Krieg wird in uns geboren und ist in uns, wenn wir unsere Beziehungen nicht pflegen, wenn wir uns gegenseitig mit Klatsch und Tratsch umbringen, wenn wir uns so weit von unseren religiösen Geboten und Vorschriften entfernen. Schenke du, unser Schutzpatron, uns den Frieden, der in unseren Herzen beginnt. Mögen unsere Herzen von Gott, seiner Liebe und Güte erfüllt sein, dann werden wir überleben. Einziger und allmächtiger Gott, verurteile Kriege und beseitige den Stolz der Gewalttätigen. Du hast deinen Sohn Jesus Christus gesandt, um den Frieden nah und fern zu verkünden und die Menschen aller Rassen und Generationen in einer Familie zu vereinen.

Wir erflehen deine Fürsprache, heiliger Josef, heiliger Schutzpatron Polens und unserer Kongregation und wir bitten auch dich, heiliger Erzengel Michael und rufen mit den Worten des heiligen Johannes Paul II: Es soll keinen Krieg mehr geben – es ist ein böses Abenteuer, von dem es keine Rückkehr gibt, es soll keinen Krieg mehr geben – eine Ansammlung von Kampf und Gewalt. Gib, dass der Krieg in der Ukraine, der deine Geschöpfe im Himmel, auf der Erde und im Meer bedroht, aufhört.

Mit Maria, der Mutter Jesu und der unseren, bitten wir dich, zu den Herzen derjenigen zu sprechen, die für das Schicksal der Völker verantwortlich sind. Zerstöre die Logik der Vergeltung und der Rache und gewähre durch den Heiligen Geist neue Lösungen, die großzügig und edel sind, im Dialog und im geduldigen Warten – fruchtbarer als ein gewaltsamer Krieg.

Vater, schenke unserer Zeit den Friedens. Es soll keinen Krieg mehr geben. Amen.

GEBET ZUM 50-JÄHRIGEN JUBILÄUM UNSERER KONGREGATION IN TANSANIA

GEBET ZUM 50-JÄHRIGEN JUBILÄUM UNSERER KONGREGATION IN TANSANIA

In diesem Jahr feiern wir in unserer Kongregation das Jubiläum von 50 Jahren Mission in Tansania. Möge dieses Gebet uns vereinen, um gemeinsam zu feiern.

 

Gott, unser Vater, wir, deine Kinder, kommen mit einem Herzen voller Demut und großer Dankbarkeit zu dir, der du die Quelle aller Güte und Herrlichkeit und der Geber und Spender der verschiedenen Gaben bist. Lieber Vater, in diesem Jahr unseres 50. Jubiläums, danken wir dir und bitten dich, dass dein Segen auch weiterhin mit uns ist und vor allem, dass wir im Geist unseres Stifters treu bleiben und nach seinem Motto leben: BLEIBT IN EINIGKEIT UND LIEBE. Gott, unser allmächtiger Vater, möge auf die Fürsprache der Jungfrau Maria, der Schutzpatronin unserer Kongregation, unsere ewige Zuflucht sein. Amen.

Der dreieiniger Gott

Der dreieiniger Gott

Ein Jahr lang haben wir uns Gedanken zum Thema „Einheit“ gemacht. Dabei haben wir uns orientiert an der Hl. Schrift, an den Zeiten und Festen des Kirchenjahres, so wie überhaupt an Erfahrungen eines menschlichen und christlichen Lebens. Wenn Sie möchten, können Sie gern auch noch einmal die einzelnen Themen anschauen, die wir im Laufe des Jahres behandelt haben.

Dazu stelle ich Ihnen mal die Frage: Könnten Sie sich vorstellen, unsere Überlegungen auch mit einem Menschen zu besprechen, der nicht an Gott glaubt? Meine Antwort: ich denke schon. Denn unsere Gedanken zur Einheit werden auch die Menschen verstehen und bejahen, die ohne Religion leben.

Doch so sehr unsere Themen bisher auch in einem menschlichen Alltag erlebbar sind, möchte ich heute beim letzten Monatsvortag den Blick ganz konkret auf Gott lenken, auf den drei-einigen Gott.

 

Dreieinigkeit – ein Geheimnis, das viel sagt

Wenn von der Dreifaltigkeit die Rede ist, dann sagen wir ganz schnell: Das ist ein Geheimnis unseres Glaubens. Das stimmt ja auch, denn erklären können wir dieses Geheimnis nicht. Ich habe mal in meinen Predigten zum Dreifaltigkeitssonntg nachgesehen. Da habe ich gesprochen, was die Dreifaltigkeit tut (Schöpfer, Erlöser, Tröster und Begleiter), und wie man ihr danken und sie ehren kann. Heute möchte ich mit Ihnen darüber nachdenken, wie die Dreifaltigkeit ist: ein Gott in drei Personen. Oder wie es in der Präfation heißt: Mit deinem eingeboreren Sohn und dem Heiligen Geist bist Du (Gott Vater) der eine Gott und der eine Herr.

 

Monarchie oder Koalition

Gestatten Sie mir einen Abstecher in die Politik. Stellen Sie sich vor, Sie wären Königin oder König. Könige waren Alleinherrscher, brauchten niemanden zu fragen und konnten selbstherrlich entscheiden, manchmal wirklich nach Lust und Laune. Bei Tyrannen und Diktatoren haben die Völker das oft leidvoll erleben müssen. Anders in einer Demokratie. Hier dürfen Menschen wählen, wer sie regieren soll. Und da nicht immer eine absolute Mehrheit zustande kommt, werden Koalitionen gebildet. Stellen Sie sich also auch mal vor, Sie müssten eine Regierung bilden und suchten einen oder zwei Koalitionspartner. Da muss man einen Partner suchen, ihn näher kennenlernen, zuhören, was er will, Kompromisse eingehen, nach Meinungsverschiedenheiten immer wieder neu den Dialog suchen, und manchmal auch um der Gemeinschaft willen auf so manche persönliche Profilierung verzichten (Demut). Können Sie da den dreieinigen Gott entdecken …?

 

Sendung und Gehorsam

Weitere Gedanken zur Einheit Gottes finden wir in den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. Da betet Jesus um die Einheit seiner Jünger: Alle sollen eins sein, so wie wir eins sind, ich in dir und du in mir (Joh 17,21). Schon vorher hat Jesus davon gesprochen, wie seine Einheit mit dem Vater aussieht: Ich bin nicht gekommen, um meinen eigenen Willen zu erfüllen, sondern den Willen meines Vaters. Die Einheit mit dem Vater zeigt sich also in seiner Sendung und seinem Gehorsam dem Willen des Vaters gegenüber. Und dies ist kein blinder oder erzwungener Gehorsam, sondern ein freiwilliger und liebender Gehorsam.

 

Zeugnis geben

Eng mit seiner Sendung ist der Auftrag verbunden, Zeugnis zu geben von der Liebe des anderen. Das wird sowohl von Jesus gesagt, der Zeugnis gibt von der Liebe des Vaters, wie auch vom Heiligen Geist, der Zeugnis gibt von Jesus. Ein eindrucksvolles Zeugnis gibt Jesus, als er vor dem römischen Stadthalter Pontius Pilatus steht: Dazu bin ich in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (Joh 18,37). Die Wahrheit ist für Jesus die unbedingte Liebe Gottes zu den Menschen. Für diese Wahrheit hat er gelebt und stirbt sogar dafür.

 

Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt …

Ein Rückblick in die Kirchengeschichte könnte einen nachdenklich machen. Die dunklen Kapitel sind nicht nur die Zeit der Kreuzzüge oder die Machenschaften der Inquisition und der Hexenprozesse. Ebenso dunkel sind die Zeiten, in denen die Christen untereinander sich gezankt und sogar bekriegt haben. Ich denke an die Trennung der orthodoxen Kirche (1054), an die Reformation (1517), an die Schismen innerhalb der katholischen Kirche, wo es auf einmal 2 Päpste gab, und natürlich an die schrecklichen Glaubenskriege wie z.B. in Irland. Das sind Zeugnisse, die das Glauben schwer machen.

 

Die Kugeln – eine Lektion Gottes für die Einheit

Es war einmal ein Mann, der kannte ein herrliches Spiel. Er sammelte bunte Glaskugeln. Und wenn man diese Kugeln durch die Luft warf, leuchteten sie herrlich in der Sonne.

Dieser Mann hatte ein Kind, das er sehr liebte. Diesem Kind wollte er dieses Spiel beibringen. „Pass auf!,“ sagte der Mann, „ich werde dir jetzt eine Kugel nach der anderen zuwerfen.  Jede Kugel hat eine andere Farbe und einen anderen Namen. Diese hier heißt Freude, die dort Arbeit, die da drüben Friede, diese Leid. Du sollst mir jede Kugel sofort zurückwerfen. Das ist der Sinn des Spieles: das Geben und Nehmen im Wechsel. Nur im Flug glänzen die Kugeln so hell.“

Das Kind hatte verstanden, und das Spiel konnte beginnen. Die Kugeln flogen hin und her, und im Flug leuchteten sie in der Sonne.

Dann aber wollte das Kind eine schöne Kugel behalten. Es drückte sie fest an sich. Da zerbrach die Kugel. Vor Schreck vergaß es, die nächste Kugel zu fangen; sie fiel auf die Erde und ging in tausend Scherben. Je mehr das Kind versuchte, die Kugeln festzuhalten, umso größer wurde der Scherbenhaufen; das Kind schnitt sich, tat sich weh dabei und blutete.

Dem Mann, der mit dem Kind spielte, tat das unendlich leid. Und weil er das Kind so liebhatte, kam er hinzu, bückte sich und trug die Scherben weg. Auch er schnitt sich dabei und blutete. Aber jede Wunde, die er dabei selbst bekam, heilte gleichzeitig eine Wunde des Kindes. Schließlich war er so zerschnitten, dass eine Fortsetzung des Spiels unmöglich erschien. Doch er war bereit, weiter zu spielen.

Doch langsam hatte das Kind begriffen. Und als die Kugel der Freude kam, warf es sie im hohen Bogen zu dem Mann zurück, und die Kugel glänzte in der Sonne. Und als das Leid kam, machte er es ebenso. Jede Bewegung war jetzt auf den Mann gerichtet. Und siehe, das Spiel war sehr gut.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

06.12.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz

 

Einheit im Blick auf die Ewigkeit

Einheit im Blick auf die Ewigkeit

November

Wie kein anderer Monat hält uns der November unsere Zukunft vor Augen. Er erinnert uns daran, dass wir irgendwann unser Leben in die Hand des Schöpfers zurückgeben müssen. Aber er hat auch eine Verheißung: ein ewiges Leben bei Gott.

Wenn Sie diese beiden Botschaften ernst nehmen, denken Sie doch mal über die konkreten Konsequenzen nach. Was wäre, wenn Gott in einer Woche oder sogar schon morgen bei mir anklopfen würde?

 

Lichtenberg: Alles im Blick auf die Ewigkeit

Im Tagebuch, das der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg in seiner Untersuchungshaft geschrieben hat, finden wir den Satz: Heute will ich alles im Licht der Ewigkeit sehen. Lichtenberg wird seinen zukünftigen Weg ziemlich klar vor Augen gehabt haben. So hat er die irdischen Dinge sehr ernst genommen, aber alles unter dem Maßstab der Ewigkeit gesehen. Eine gute Grundhaltung für ein geistliches Leben.

Geistliche Übung: Was will ich mit Blick auf die Ewigkeit noch tun? Was will ich verändern? Was will ich loslassen?

 

Der breite Graben

Sie kennen das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann. Beide müssen sterben, der eine kommt in den Himmel (Abrahams Schoß), der andere muss in der Hölle leiden. Himmel und Hölle werden hier einfach durch die Umkehrung der Lebensverhältnisse beschrieben: Wer es sich in dieser Welt hat gut gehen lassen, der muss leiden, und wer leiden musste, dem wird jetzt das Paradies zuteil.

Diese diese Erklärung macht mich schon sehr nachdenklich, fast Angst. Denn ich muss sagen, dass es mir auf dieser Welt total gut geht. Habe ich dann das gleiche Schicksal zu erwarten wie der reiche Mann?

Doch Jesus gibt in seinem Gleichnis eine weitere Erklärung. Da ist von einem breiten Graben die Rede, die die beiden voneinander trennt. Wer hat diesen Graben gemacht? Gott? Und so langsam kommt der Reiche zur Einsicht, dass er diesen breiten Graben gemacht hat, damals zu Lebzeiten, als er den Armen nicht gesehen hat und auch nicht sehen wollte.

Eine weitere geistliche Übung: Wo sehe ich in meinem Leben solche Gräben. Was oder wen trennen diese Gräben von mir? Bin ich bereit, solche Gräben zu sehen und vielleicht sogar zu überbrücken?

 

Keiner von uns lebt sich selber … (Röm)

Die zweite Botschaft des Novembers ist die Verheißung: Und erwartet ein neues Leben in der Herrlichkeit Gottes.

Ich möchte Ihnen dazu einen Text aus der Heiligen Schrift mitgeben, den Sie aus vielen Beerdigungsgottesdiensten kennen. Da schreibt der Apostel Paulus:

Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.

Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn.

Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn. (Röm 14,7-8)

In den Ansprachen wird dann gern auf die zweite Zeile Bezug genommen, auf die Beziehung zu Gott.  Doch davor stellt Paulus unsere Beziehung untereinander. Keiner von uns lebt sich selber, und keiner von uns stirbt sich selber.

Unsere Beziehung zu Gott steht also in einem engen Zusammenhang mit der Beziehung, die wir zu den Menschen haben. Und wenn Paulus danach betont, dass wir Rechenschaft vor Gott abgeben müssen (Röm 14,10.12). Keiner von uns lebt sich selber. Ein Satz, der im Blick auf die Ewigkeit für mich interessant sein könnte.

 

Karl Borromäus – Reformer der Kirche

Keiner von uns lebt sich selber. Was dies bedeutet, und welche Konsequenzen das auch für die Gemeinschaft und Einheit der Kirche bedeutet, kann man sehr gut an einem Reformer sehen: an dem Hl. Karl Borromäus. Gehen wir dazu in das 16. Jahrhundert. Martin Luther hat mit seinen Thesen die Kirche in Europa in Aufruhr gebracht. Die Kirche war gespalten. Wie konnte man die Einheit wiederfinden. Die Antwort suchte man in einem Konzil: dem Konzil von Trient. Einer der entscheidenden Personen auf diesem Konzil war der Hl. Karl Borromäus. Sein Onkel war Papst, und ihm stand eine glänzende Karriere in Aussicht. Doch er hat sich total zurückgenommen, war sehr anspruchslos, und hat seine ganze Arbeitskraft der Kirche gewidmet. Ein Leben für – in diesem Fall ganz konkret für die Kirche. Die Einheit war ihm wichtiger als seine eigene Person.

 

Der wiederkommende Christus

Vor uns steht die Zeit des Advents, die Zeit, in der wir an die Wiederkunft Christi erinnert werden. Wir als Christen haben uns anscheinend daran gewöhnt: ist der seit 2000 Jahren nicht wiedergekommen, dann wird das auch in den nächsten 20 oder 30 Jahren nicht passieren. Anders sieht es aus, wenn es um mein ganz persönliches Leben geht. Da kann es mal ganz schnell gehen, dass ich vor dem Angesicht Gottes stehe. Dder breite Graben könnte dann ein entscheidendes Thema sein. Vielleicht nehmen Sie also für diesen Advent noch einmal das Testament unseres Stifters Pfr. Johannes Schneider zur Hand, oder noch besser zu Herzen.

 

Prälat Dr. Stefan Dybowski

 

22.11.2021   Monatsvortrag Kloster St. Augustinus, Berlin-Lankwitz